Steuerreform: Schelling mit Faymann gegen Revolte

Austrian Vice Chancellor and Economics Minister Mitterlehner walks to join Chancellor Faymann and Finance Minister Schelling as they address a news conference after a government conclave in Schladming
Austrian Vice Chancellor and Economics Minister Mitterlehner walks to join Chancellor Faymann and Finance Minister Schelling as they address a news conference after a government conclave in Schladming(c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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Ein gemeinsames Machtwort von SPÖ und der zuletzt schwankenden ÖVP zementiert die Öffnung von Bankkonten künftig auch ohne Richterbeschluss.

Wien. Eigentlich ist es für die SPÖ-ÖVP-Regierung der zentrale Punkt schlechthin auf ihrer Liste positiv erledigter Vorhaben: die Steuerreform mit einem Entlastungsvolumen von 5,2 Milliarden Euro. Umso größer ist vor allem in der SPÖ der Ärger über die Wendung in den vergangenen Tagen: Alles drehte sich um die im Paket enthaltene Öffnung der Bankkonten zum Zweck der Betrugsbekämpfung und somit den nächsten Schritt zur Abschaffung des Bankgeheimnisses. Der Deckel flog koalitionsintern am Montag vom Überdruckkochtopf. Da absentierte sich nach dem steirischen ÖVP-Wahlkämpfer Hermann Schützenhöfer und Burgenlands SPÖ-Wahlkämpfer Hans Niessl mit Reinhold Lopatka der ÖVP-Klubobmann im Parlament von dem gemeinsam im Ministerrat abgesegneten Reformpaket – mit dem Hinweis, der Entwurf stamme von Beamten.

Es geht um 700 Millionen Euro

Es geht bei dem Unmut über den Aufstand nicht nur um das ohnehin ramponierte Image der Koalition bei der Bevölkerung, sondern um eine schöne Stange Geld. Immerhin sind allein 700 Millionen Euro zur Finanzierung der Steuerreform. Diese sind allein aus der leichteren Verfolgung von Steuersündern durch Kontoöffnungen und die Lockerung des Bankgeheimnisses in derartigen Fällen an Mehreinnahmen veranschlagt.

Entsprechend „heiß“ kam Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) am Mittwochvormittag zum Ministerrat. Er verpasste prompt auch den steirischen ÖVP-Parteifreunden eine Kopfwäsche: Offensichtlich sei der Wahlkampf ein „Treiber“ für den Widerstand, sagte er knapp, aber unmissverständlich. Die Abreibung für Lopatka bestand darin, dass Schelling ausdrücklich die Verantwortung für den Gesetzesentwurf übernahm: Die Beamten hätten da keinen „Freilauf“.

In der Sache selbst ließ er die Schützenhöfers und Niessls, aber auch Kritiker der Opposition wie die Neos abblitzen. Änderungen nach der Begutachtung, wie einen weisungsfreien Rechtsschutzbeauftragten, sicherte er zwar zu. Aber an der Notwendigkeit von Kontoöffnungen ließ er keinen Zweifel.

Der Finanzminister und dessen (Spar-)Aktiviäten werden zwar von der SPÖ seit Monaten mit gehörigem Argwohn verfolgt. Aber im Fall der Kontoöffnungen stemmte sich Bundeskanzler Werner Faymann nach dem Ministerrat demonstrativ im Gleichklang mit Schelling gegen die Front der Kritiker und deren Forderung, Kontoöffnungen künftig nur noch nach Richterbeschluss zuzulassen. Kanzleramtsstaatssekretärin Sonja Steßl (SPÖ) hatte dies schon zuvor mit einem Hinweis abgelehnt: Denn dies wäre sogar eine Verschärfung gegenüber der bisherigen Rechtslage. Derzeit ist ein richterlicher Beschluss ab 100.000 Euro notwendig (siehe unten stehenden Bericht).

Werner Faymann fiel das In-die-Schranken-Weisen von ÖVP-Klubchef Lopatka, dessen Sticheln gegen seine Person den Regierungschef ohnehin gehörig nervt, naturgemäß noch leichter: „Da sind nicht irgendwelche Beamten schuld.“ Im Vordergrund stand freilich die Beruhigung verunsicherter Sparer und Österreicher, Steuerprüfer würden nicht bloß auf einen Generalverdacht hin aktiv.

Deutlich zurückhaltender gab sich Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Der ÖVP-Bundesparteiobmann konnte und wollte wenige Tage vor den Landtagswahlen in der Steiermark und im Burgenland seinen schwarzen Parteifreunden offensichtlich nicht den Wahlkampf verderben, sondern rettete sich zuerst mit dem Hinweis auf die Begutachtung: „Ich stelle mir eine Lösung am Ende des Prozesses vor.“

Rückendeckung Mitterlehners

Auf Nachfrage ließ auch Mitterlehner keinerlei Zweifel, dass er gegen eine Verschärfung durch eine weitergehende richterliche Kontrolle sei. Die Einführung internationaler Standards stelle noch keinen Generalverdacht gegen Bürger dar. Was Schützenhöfers ÖVP von dem Machtwort in Wien hält, wird Finanzminister Schelling schon heute, Donnerstag, persönlich erfahren. Der Ressortchef ist in der Steiermark zu Gast.

Politisch ist die Regierung bemüht, Bevölkerung und Grüne, deren Zustimmung für eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat nötig ist, zu beruhigen. Dazu dienen Zusicherungen: Kontenöffnungen würden lückenlos dokumentiert; bei Prüfungen gelte das Vier-Augen-Prinzip; zur Kontrolle kommt ein unabhängiger, weisungsfreier Rechtsschutzbeauftragter.

Fortsetzung der Debatte folgt. Spätestens am 8. Juni bei einer Sondersitzung des Nationalrats.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2015)

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