Gemeinden: Klein ist gar nicht fein

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Experten warnen: Minikommunen verursachen hohe Kosten. Undurchsichtige Transfers zementieren ihre Strukturen. Der Ratschlag: Fusionen oder „Gebietsgemeinden“.

Wien. Kleine Kommunen haben es schwer. Einen halben Bürgermeister gibt es nicht, also müssen sie sich einen ganzen leisten. Ähnlich geht es ihnen bei vielen Fixkosten, die unabhängig von der Größe anfallen. Deshalb pfeifen viele von ihnen aus dem letzten Loch: Der finanzielle Spielraum nach Schuldentilgung ist bei Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern sogar negativ (siehe untere Grafik). Das zeigte das KDZ (Zentrum für Verwaltungsforschung) am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Am zweitschwersten haben es Kommunen am anderen Ende des Spektrums: die Städte mit über 50.000 Einwohnern. Aber aus anderen Gründen: Sie stellen Einrichtungen, mit denen sie das ganze Umland mitversorgen – wie Spitäler, Schulen, Theater oder Hallenbäder. Deshalb sieht der Bundesfinanzausgleich auch eigentlich vor, dass sie in Summe über weit mehr Mittel pro Kopf verfügen sollen als kleinere Einheiten.

Aber da hat der Gesetzgeber in Wien die Rechnung ohne die Länder gemacht. Diese haben, achtfach variiert, ein hoch komplexes und selbst für Insider kaum durchschaubares Geflecht an Zahlungsströmen geschaffen, erklärt KDZ-Chef Peter Biwald. Eine Studie von 2010 zählte erstaunliche 216.000 Transfers pro Jahr, zwischen Ländern, Gemeinden und ausgelagerten Einheiten. Was mit dem Geld wirklich passiert, „weiß niemand“. So überweisen etwa die Bürgermeister die Krankenhausumlage an das Land. Doch tatsächlich decken diese Mittel zu einem guten Teil die Lasten von Verlustgemeinden ab.

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So lang werde das Geld hin- und hergeschoben, bis etwas herauskommt, was den Finanzausgleich „auf den Kopf stellt“: Die Unterschiede sind ziemlich nivelliert. Kleinstgemeinden bekommen pro Kopf am zweitmeisten, mittelgroße sitzen in der „Finanzierungsfalle“.

Nun könnte man meinen: Gut so, das Geld landet bei denen, die es am nötigsten brauchen. Genau das aber hatte der Gesetzgeber nicht intendiert: Er wollte sein System der Umverteilung zwischen Gebietskörperschaften an den Aufgaben ausrichten, nicht an der Bedürftigkeit. De facto „verfestigen die Länder ineffiziente Strukturen“, indem sie die Minigemeinden mit Bedarfszuweisungen finanziell gerade noch am Leben erhalten. „Damit ist ihnen aber nicht wirklich geholfen, denn schlecht geht es ihnen trotzdem.“ Sie haben kein Geld für Investitionen, bleiben für die Bewohner wenig attraktiv und können somit die Landflucht nicht stoppen – worauf eine Studie der Donau-Uni Krems hingewiesen hat. Finanzielle Verlierer im Transferhütchenspiel sind kleinere Zentralorte – Biwald nennt Murau als Beispiel.

Die Empfehlung der KDZ-Experten liegt auf der Hand und ist auch gar nicht neu: Sehr kleine Gemeinden sollten mit größeren fusionieren. Jahrzehntelang ging dieser Ruf ins Leere. Bis die politische Reformpartnerschaft in der Steiermark Ernst machte und die Zahl der Gemeinden um fast die Hälfte reduzierte. Dass die Bürger diese Strukturreform bei den Kommunalwahlen im März abgestraft haben (und Ähnliches bei den Landtagswahlen am Sonntag droht), will Biwald nicht gelten lassen. Es komme immer darauf an, wie gut die Betroffenen eingebunden sind. So fusionierte der Bürgermeister von Trofaiach bereits vor der Reform mit zwei kleineren Gemeinden – und sitzt heute fester im Sattel denn je.

Als Alternative zur Fusion liegt aber auch ein Kompromisskonzept auf dem Tisch: die „Gebietsgemeinde“. Dabei bleiben die Ortsgemeinden mit ihren Bürgermeistern bestehen, und somit ist die lokale Identität gewahrt. In den Gemeinderat des neuen, größeren Gebildes entsendet jeder Ort „seine“ Mandatare. Die Verwaltung aber wird abgespeckt, die Aufgaben werden so weit wie möglich gebündelt, um Kosten zu sparen. Vorbild für diese Struktur sind die „Samtgemeinden“, die es in Niedersachsen schon seit dem 19. Jahrhundert gibt.

Jede Aufgabe in nur einer Hand

Auch gegen die verworrenen Transferströme zwischen Ländern und Gemeinden hat das KDZ ein Rezept: Die Wurzel der Intransparenz sei die zersplitterte Aufgabenteilung, etwa bei Schulen oder Spitälern. Deshalb sollte eine bestimmte Aufgabe samt Finanzierung und laufender Kosten in einer Hand vereint sein. So könnten die Länder die Krankenanstalten komplett übernehmen, die Gemeinden aber im Gegenzug die Kinderbetreuung. Auch mehr finanzielle Autonomie – also selbst eingehobene Steuern – könnte größere Klarheit und mehr Wettbewerb schaffen. Mit diesen Vorschlägen steht das KDZ nicht alleine da: Auch Wifo, IHS und Ecoaustria denken in die gleiche Richtung. Wie wichtig es für die Gemeinden ist, neue Sparpotenziale zu heben, zeigt die aktuelle Finanzprognose – die Zahlen dazu stehen im Infokasten gleich links.

FINANZPROGNOSE GEMEINDEN

Die Überschüsse der Kommunen schrumpfen künftig durch die Steuerreform. 2014 betrugen sie 1,6 Mrd. Euro – so viel wie im Vorkrisenjahr 2007, was inflationsbereinigt ein Minus von 15 Prozent bedeutet. Heuer ändert sich wenig. 2016 aber wird der Überschuss der laufenden Gebarung um 120Mio. Euro sinken, prognostiziert das Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ). Seit Jahren steigen die Kosten für Sozialhilfe, Spitäler und Kinderbetreuung deutlich stärker als die Einnahmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2015)

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