„Fang den Haider“: Mit der Kamera auf Haider-Safari

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Die Dokumentation fügt dem Bild des Volkstribuns kaum neue Facetten hinzu. Doch geriet die Spurensuche analytisch scharf und cineastisch charmant.

Man wird diesen Haider nicht los. Die Kerzen brennen weiter in der Linkskurve, die den Rechtspopulisten aus der Lebensbahn warf. Jörgls Jünger halten ihrem „Landeshauptmann der Herzen“ die Treue, trotz Hypo-Debakel und Kärntens Pleite. Längst ist seine generöse Gunst als Veruntreuung, sind seine Günstlinge als korrupte Handlanger enttarnt. Dennoch geht die Saat des Demagogen in ganz Europa auf, von Frankreich bis Ungarn.

Mit seiner so schillernden wie zerrissenen Persönlichkeit haben sich Autoren und TV-Filmer abgeplagt. Wie soll „Fang den Haider“ da noch einen unbekannten Zipfel erhaschen? Wozu eine neue Dokumentation auf breiter Kinoleinwand?

Schon allein wegen der Stimme von Nathalie Borgers. Im französischen Akzent der Wallonin mit Wahlheimat Wien, die diesen Dokumentarfilm gedreht hat, liegt der ganze, nur scheinbar schlichte Ansatz ihrer Arbeit. Er signalisiert Distanz, Neugier und naives Staunen der Außenstehenden. Er rechtfertigt das bekannte Archivmaterial über Haiders Schurkenstreiche, vom Lob der Waffen-SS bis zum Saualm-Lager. Der Tonfall gestattet auch Komik: Die Fremde wagt sich nach Kärnten, in die Höhle des Löwen, auf den Ulrichsberg und zum Blondviehfest. Dabei wirkt sie wie eine teils verschreckte, teils amüsierte Ethnologin auf der Spur eines seltsamen, wissenschaftlich ergiebigen Stammes.

Vor allem aber hat ihr diese Stimme Türen geöffnet. Anhänger und Weggefährten wollen der „guten“ Ausländerin den Jörg, die Partei und die Welt erklären. Und geben sich dabei oft genug die Blöße. Sogar Haiders politische Ziehmutter Kriemhild Trattnig bricht ihr Schweigen und singt ein Ständchen. Haiders Schwester Ursula Haubner bäckt der Regisseurin einen Apfelstrudel, ohne Rosinen, so wie ihr Bruder ihn mochte. Eine skurrile Farce? Schon das „Fangen“ im Titel oszilliert zwischen Aufdeckungsjournalismus und entspanntem Spiel. Die Balance könnte leicht ins Menschenverachtende kippen, wie bei Cohens „Borat“ und Spiras „Alltagsgeschichten“. Nach dem Sozialporno nun der Ideologieporno?

Die Heimat, die er meinte

Borgers umschifft die Klippe. Nie hat man den Eindruck, sie manipuliere Aussagen durch unfairen Schnitt. Die Filmemacherin, die bei ihrem ersten Wien-Aufenthalt 2002 das System „Kronenzeitung“ versiert ins Visier nahm, spitzt nicht künstlich zu. Von Anfang an liegen die Karten auf dem Tisch: Sie hält Haiders Populismus für brandgefährlich und will seine Wurzeln freilegen. Weder Gastlichkeit noch Sangesfreude können sie einlullen. Doch Borgers inszeniert ironisch ihr Scheitern: Wenn sie etwa erkennt, dass sie viele banale Anekdoten, aber wenig politisch Brisantes erfährt – und während der Dreharbeiten zwei Kilo zunimmt.

Freilich hat diese Bescheidenheit etwas Kokettes. Denn sie weiß ja: In jeder harmlosen Plauderei blitzt eine entlarvende Erkenntnis auf. Wenn Haiders Mutter erzählt, dass er als Kind Schauspieler werden wollte. Wenn Peter Westenthaler erklärt, dass Haider seine drei Volksbegehren „erfand“, um die Zeit zwischen den Wahlkämpfen zu füllen – Politik nicht als Arbeit, sondern als permanente Agitation. Wenn Gerhard Dörfler das slowenenfeindliche Ortstafeln-Verrücken mit einer Bleistiftskizze von Bleiburg, also durch formaljuristische Spitzfindigkeiten, rechtfertigen will. Oder wenn FPÖ-Urgestein Siegfried Kampl voll nostalgischer Wehmut sinniert, wie der Jörg die „Hypo-Sache“ gemeistert hätte: Alle Parteien vereint gegen die Zumutungen der Justiz. „Lassen wir uns vom Gericht nicht herbeuteln wie Schulbuben“ – ein Unverständnis von Gewaltenteilung, das tief blicken lässt.

So fängt der Film weniger Haider ein als den Nährboden, auf dem er gedeihen konnte. Immer wieder hat Borgers in Kärnten und im Salzkammergut von der „Heimat“ gehört – ein Wort, das es im Französischen (und den meisten anderen Sprachen) so nicht gibt. „Es bindet dich an einen Ort und verkauft ihn dir als das Beste für dich“ – was die Verachtung für Fremdes oft nach sich zieht. So hätte zumindest die Frage, warum gerade Österreich den ersten rechtspopulistischen Spitzenpolitiker hervorgebracht hat, eine linguistische Antwort gefunden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2015)

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