IT-Industrie: Chipbranche im Fusionsfieber

Man passes Broadcom´s Asia operations headquarters office at an industrial park in Singapore in this file photo
Man passes Broadcom´s Asia operations headquarters office at an industrial park in Singapore in this file photo(c) REUTERS (EDGAR SU)
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Der Bedarf an immer kleineren Bauteilen und der Boom bei mobilen Geräten lässt die Produzenten auf Allianzsuche gehen. Das schiebt die Aktienkurse kräftig an.

Santa Clara/Singapur. Klein, kleiner, schnell, schneller: Die Chipindustrie liefert sich mit der wachsenden Nachfrage nach neuen Internet-Anwendungen (Internet der Dinge) und noch leistungsfähigeren Smartphones und Tablets einen Wettlauf. Diese Innovationen kosten allerdings viel Geld – weshalb Firmen notwendiges Know-how nicht selbst entwickeln, sondern über Firmenübernahmen vermehrt zukaufen. Dass sie sich damit auch unliebsame Konkurrenten vom Hals schaffen und selbst ihre kritische Größe erhöhen, ist ein wünschenswerter Nebeneffekt.

2015 könnte daher das Jahr der Rekordübernahmen werden, prognostizieren Experten aufgrund der jüngsten Ereignisse. Am Donnerstag wurde bekannt, dass Avago Technologies für 37 Mrd. Dollar den Konkurrenten Broadcom kaufen will. Diese Megafusion würde den bisherigen Rekordhalter – den 30 Mrd. Dollar schweren Buy-out von First Data im Jahr 2007 – noch toppen. Der fusionierte Konzern soll zunächst auf einen Jahresumsatz von 15 Mrd. Dollar kommen und an der Börse 77 Mrd. Dollar wert sein, wie die künftigen Partner in einer gemeinsamen Mitteilung bekannt gaben.

Nur einen Tag später erneuerte der weltgrößte Chiphersteller Intel sein Angebot für Altera – und legt offenbar noch etwas drauf, wie die „New York Post“ berichtet. Intel sei nun gewillt, 54 Dollar je Altera-Aktie auf den Tisch zu legen – das wären 15 Mrd. Dollar in Summe. Zuvor war von 13 Mrd. die Rede.

Übernahme senkt Kosten

Die Chipfirmen stehen unter wachsendem Konsolidierungsdruck. Denn zum einen werden die von ihnen hergestellten Bauteile immer günstiger. Zum anderen steigt die Nachfrage nach neuen Produkten, die mobile Geräte mit dem Internet verbinden. Genau hier stärkt sich Avago mit der Broadcom-Akquisition, die bis Ende des ersten Quartals 2016 abgeschlossen sein und Kosteneinsparungen von 750 Mio. Dollar binnen 18 Monaten bringen soll. Analyst Romit Shah vom japanischen Geldhaus Nomura sprach von einem strategisch sinnvollen Deal.

Der neue Konzern soll in Singapur angesiedelt sein. Dort ist bereits einer der beiden Hauptsitze von Avago, der andere ist im kalifornischen San Jose. Broadcom sitzt bislang in Irvine (Kalifornien). Seine Halbleiter werden unter anderem in Smartphones von Apple und Samsung eingesetzt sowie in Technologien wie Wi-Fi und Bluetooth, die Funkverbindungen zwischen elektronischen Geräten herstellen. Broadcom litt zuletzt unter scharfer Konkurrenz durch Rivalen wie Qualcomm und Mediatek. Avago produziert Chips für die Mobilfunkbranche und andere Industriebereiche.

Erst vor einem Jahr hat Avago den Chipherstellers LSI Corp für 6,6 Mrd. Dollar geschluckt. 2015 gab der Konzern auch eine Offerte für Freescale Semiconductor ab. Die Firma wurde dann aber für 11,8 Mrd. Dollar von NXP Semiconductors geschluckt.

Auch Intel und Qualcomm wären als Interessenten für Broadcom infrage gekommen, sagte Srini Pajjuri, Analyst bei CSLA. Qualcomm benötigt einen Zukauf, um sein Geschäft jenseits von Chips für Smartphones zu erweitern, und Intel sucht angesichts des abnehmenden PC-Geschäfts nach neuen Möglichkeiten. Analysten gehen davon aus, dass die Mergermania nicht auf die Chipindustrie beschränkt bleiben wird, sondern auf Hardware-, Software- und selbst auf Internetfirmen überspringen könnte.
Die Aktionäre profitieren doppelt: Von den Kaufangeboten und schon jetzt von den Kursgewinnen: Denn die Fusionsfantasien geben nicht nur den betroffenen Papieren, sondern der ganzen Branche Auftrieb. (Bloomberg/eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2015)

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