Nichts Neues in Pannonien

THEMENBILD: BURGENLAND-WAHL / LAeNDERPORTRAeT /LANDHAUS
THEMENBILD: BURGENLAND-WAHL / LAeNDERPORTRAeT /LANDHAUSAPA/ROBERT JAEGER
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Das Burgenland bezaubert durch Toleranz und Freundlichkeit. Selbst in Wahlkampfzeiten geht es ruhig zu, sieht man von ein paar Ungereimtheiten und einem fürstlichen Konflikt ab.

Das Burgenland ist mitnichten die kleine Welt, in der die große ihre Probe hält. Denn das brutale Theaterstück, über das wir täglich aus den Medien erfahren, die oft beängstigende, globale Inszenierung unterscheidet sich elementar vom Leben im was die Einwohnerzahl betrifft kleinsten Bundesland. Die Menschen hier gehen freundlich miteinander um und sind weit entspannter, als man es von anderswo her kennt.

Das Verhältnis zwischen den Volksgruppen ist harmonisch, es gibt deutschsprachige und kroatische Schulen und das Ungarische ist allerorten zu hören. Selbst die Landschaft präsentiert sich sanft und beruhigend. Wenn man vom Ruster Berg auf den Neusiedlersee hinunterschaut oder auf einem Hügel im Südburgenland thront, erschließt sich dieses Land der Ruhe und Anmut in seiner ganzen Pracht.

Zugegeben, der Konvertit, der erst kürzlich zugezogen ist, gerät leicht in Gefahr, das Neue schwärmerisch zu überhöhen. Aber auch nach ein paar Jahren bleibt immer noch dieses angenehme Bild von Freundlichkeit und Kontemplation.

Der Wahlkampf im Mai stand nur scheinbar im Gegensatz zum friedlichen Eindruck. Zwar verschandelte eine Unzahl von Plakaten auch hier jede schöne Perspektive, aber die inhaltliche Auseinandersetzung war geprägt von seltsamer Harmonie. Über allem thronte der Landesfürst. Hans Niessl regiert seit 15 Jahren und wird den Burgenländern als Übervater des Landes bald so selbstverständlich sein, wie ehedem Franz Josef den Österreichern als ewiger Kaiser. Er deckt auch alle Themen vollkommen ab. Das liest sich dann so, dass ihm das Burgenland seinen wirtschaftlichen Aufschwung verdankt, den ersten Platz im Sicherheitsranking, die höchste Zahl an Maturanten, die Autarkie beim Strom und was einem sonst noch an tollen Erfolgen in den Sinn kommt. Gäbe es mehr Aufmüpfigkeit im Burgenland, könnte man in der Landessprache sagen, dass es sich bei den Wahlaussagen des SPÖ-Chefs um eine „Zizizahzi“ handelte, also um eine unendliche Geschichte, die sich in die Länge zieht und schon oft und zu lange erzählt wird. Aber goschert ist man hier eher nicht. Wagt Hans Niessl den Tabubruch? Die sogenannten Oppositionsparteien widersprachen dem Landeshauptmann nur verhalten. Das hängt damit zusammen, dass der Proporz in der Landesregierung abgeschafft wurde und jetzt jeder der Spitzenkandidaten der anderen Parteien hofft, von der SPÖ zum Koalitionspartner gekürt zu werden. Allzu laute Kritik ist nicht angesagt, will man dem Fürsten nicht missfallen. Das Provokanteste im Wahlkampf war schließlich ein Plakat der Grünen mit der Frage „Sind die Roten schon völlig blau?“ Darin verbirgt sich in der Tat das wesentliche Spannungselement rund um die Wahl. Wird Hans Niessl den großen Tabubruch wagen? Ist das dann vielleicht doch die kleine SPÖ-Welt, in der die Bundespartei ihre Probe hält? Die örtlichen FPÖ-Mandatare mögen winzige Lichter sein, die Hans Niessl gut unter Kontrolle wird halten können, aber was wird er tun, wenn Herr Strache ihn zu einer Probefahrt mit einem Porsche einlädt, will heißen, wenn die Freiheitlichen das kleine, freundliche Bundesland mit ihren aggressiven und fremdenfeindlichen Tönen überziehen?

Am Ende des Wahlkampfs ist die FPÖ ganz nach dem Motto „Falscher Leim für schlechten Reim“ arg in die Peinlichkeit gerutscht. Plakate mit dem Slogan „Heimische Könner statt Ost-Dumpinglöhner“ wurden von dem beauftragten Unternehmen just durch ungarische Arbeiter affichiert.

Das Leben wird jedenfalls auch nach der Wahl weitergehen und es notwendig machen, eine neue Geschichte zu schreiben. Die bisherige handelt in dramatischer Weise von früherer Armut und heutigem Erfolg. Man wäre „Schlusslicht“ gewesen, aber inzwischen sei man, auch dank der Fördergelder der Europäischen Union, vorne dabei, heißt es in jeder Broschüre und zu jedem Thema. Diese Sichtweise perpetuiert die Geschichte von Armut und damit auch Unterwürfigkeit. Wer sich seines Erfolges, seiner Bildung, seines Wohlstands nicht wirklich sicher sein kann, entwickelt kein Selbstbewusstsein, das zu Tatkraft und Entscheidungsfreude befähigt. Was mögen sich junge Menschen denken, die hier aufwachsen, von der Bildungsoffensive des Landes profitieren und dann doch immer wieder mit dieser defensiven Erzählung über früheres Elend konfrontiert sind? Es wäre hoch an der Zeit, diese Zizizahzi durch eine frischere Sichtweise zu ersetzen.

Zu tun wäre noch einiges. Das Burgenland hat sich in frappanter Weise dem Autoverkehr verschrieben. Hier geht nichts, wenn du kein Auto hast, hier wird in Straße investiert, als ob jede Umweltdiskussion am Land spurlos vorbeigegangen wäre. Im Gegensatz dazu wird seit Jahrzehnten von der sogenannten Müllendorf-Schleife der Eisenbahn gesprochen, ohne dass sich irgendeine Entwicklung abzeichnete. Es fehlen zu einer funktionstüchtigen Anbindung von Eisenstadt an die nahe Bundeshauptstadt gerade einmal vier Schienenkilometer. Nichts sei da zu machen, argumentieren die jeweils zuständigen Landespolitiker, weil sich Grundstückseigner weigerten, ihre Felder herzugeben.

Im vorigen Dezember wurde mit der Umfahrung des Ortes Schützen eine neue Straße eröffnet. Sie führt mitten durch ein Tierparadies. Dazu gab es kein Umweltprüfungsverfahren, weil die eine Amtsstelle der Burgenländischen Landesregierung der anderen bescheinigte, dass dafür keine Notwendigkeit bestünde. Auch hier wollten einige Eigentümer ihre Gründe nicht abtreten, doch bei einer Straße findet das keine Gnade – es wurde enteignet. Die Vorgänge rund um den Straßenbau sind jetzt beim Europäischen Gerichtshof anhängig. Wie immer das Urteil lauten wird, das Faktum eines weiteren Betonbands durch eine vorher unberührte und schöne Landschaft wird bestehen bleiben. Konflikt nach Esterházy-Enteignung. Unter den Enteigneten befand sich auch die Esterházy-Stiftung, womit wir zum einzig großen Konflikt des Burgenlandes kommen. Fürst gegen Fürst, so heißt die auf beiden Seiten von Bürgerlichen geführte Schlacht. Hier der Landeshauptmann, da der Esterházy-Chef Stefan Ottrubay.

Warum die großen Kräfte des Landes so aneinandergeraten sind, können Außenstehende nicht wirklich ergründen. Es schadet jedenfalls dem Land, wenn beispielsweise in einer von öffentlichen Stellen des Burgenlands finanzierten Werbebroschüre beim Überblick über das Kulturangebot die Opernfestspiele St. Margarethen ausgespart bleiben. Dieses Festival, das von Esterházy betrieben wird, hat eine das Burgenland überstrahlende Bedeutung und gehört zu den größten seiner Art in Europa. Statt diesen für den Tourismus wichtigen Kultur-Hotspot zu promoten, verschweigt ihn die Landespolitik so weit das nur möglich ist. Die das Kampfgeschehen mit Spannung verfolgende Bevölkerung wartet jetzt darauf, ob der Landeshauptmann in diesem Jahr seinen Platz bei der Premiere der Oper „Tosca“ einnehmen wird.

In seiner Regierungserklärung vor fünf Jahren sagte Hans Niessl: „Gestalten wir gemeinsam die Zukunft unseres Heimatlandes Burgenland. Stellen wir das Burgenland vor das Trennende.“ Um mit Grillparzer zu sprechen: Das ist ein guter Satz, wohl wert, dass auch ein Fürst sich seiner unterwinde.

Zur Person

PETER MENASSE

Geboren 1947 in Wien. Menasse ist selbstständiger Kommunikationsberater und Journalist. Er lebt in Wien und im Burgenland (www.petermenasse.at). Er ist Chefredakteur des jüdischen Magazins „NU“ (www.nunu.at). Im Burgenland veranstaltet er eine Dialogveranstaltung für Journalisten (www.medientreff.at).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2015)

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