Der "Django"-Effekt für die ÖVP ist verpufft

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Auch nach Reinhold Mitterlehners Übernahme knickt die ÖVP in den Ländern ein. Schuld ist auch die Steuerreform.

Wien. In der Bundes-ÖVP war die Führung über den Auftritt „not amused“: Es gebe „keinen Rückenwind“ durch die Bundespolitik, man sei schon froh, wenn Gegenwind aus Wien ausbleibe, beklagte Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP). Er war heuer im April die schwarze Euphoriebremse. Denn nach der Ablöse von Michael Spindelegger durch Reinhold Mitterlehner an der ÖVP-Spitze und als Vizekanzler im Spätsommer 2014 war in Anspielung auf den Couleurnamen des ÖVP-Chefs ständig vom „Django“-Effekt die Rede, mit dem die ÖVP die SPÖ in Umfragen einholte und Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann alt aussehen ließ.

Pühringer ist es auch, der am 27. September zwei Wochen vor Wien als Titelverteidiger mit 46,8 Prozent in die nächste Landtagswahl gehen muss. Er bezeichnete den ÖVP-Absturz bei den Landtagswahlen in der Steiermark und im Burgenland und die erdrutschartigen Zuwächse für die steirische FPÖ als „katastrophales Ergebnis“.

Rein rechnerisch konnte der Negativtrend der ÖVP auch unter „Django“ Mitterlehner nicht gestoppt werden. Allerdings kontern Parteistrategen in den Ländern mit der Gegenfrage: Wie wären die Wahlen ausgegangen, hätte Mitterlehner Spindelegger nicht abgelöst? Nachsatz eines ÖVP-Mannes: „Dann gäbe es die ÖVP vielleicht in der Form nicht mehr.“ Faktum ist: Zwölfmal in Serie musste die ÖVP bei Nationalrats-, EU- und Landtagswahlen seit 2009 Einbußen hinnehmen. Es war bei der letzten Oberösterreich-Wahl im September 2009, bei der die ÖVP zuletzt dazugewinnen konnte, nämlich satte 3,3 Prozent.

Ausgerechnet eines der positiven Vorhaben der Bundesregierung, die Steuerreform, wird jetzt in der ÖVP auch als Grund für die Ernüchterung angeführt. Denn seit der Präsentation Mitte März wuchs nicht nur bei Wirtschaftstreibenden unter anderem wegen der Registrierkassenpflicht der Unmut über Mitterlehner und Finanzminister Hans Jörg Schelling – vor allem, als bekannt wurde, dass auch der Mittelstand über höhere Sozialversicherungsbeiträge zur Kassa gebeten wird. Die Abwehr der von der SPÖ geforderten Vermögensteuern durch die ÖVP war hingegen recht schnell vergessen.

Ausgerechnet im Endspurt für die Landtagswahlen kam dazu, dass Finanzminister und Regierung zusammen mit der Steuerreform ein zentrales Register über Bankkontendaten anlegen und die Möglichkeit ausweiten wollen, der Finanz Einblick in die Konten zu gewähren. Die Verunsicherung hunderttausender Sparer war perfekt, Beruhigungs- und Erklärungsversuche der Regierung verpufften dagegen.

Mangelndes Vertrauen in Führungskraft

Was Mitterlehner auch nicht ändern konnte, ist das geringe Vertrauen der Bevölkerung in die Führungskraft der Politik. Ganz besonders trifft das beim Hin und Her um die ungelösten Probleme bei der Flüchtlingsunterbringung zu. Das mangelnde Vertrauen trifft besonders das Establishment, das sind im Bund Rot und Schwarz. Beide Parteien stellen aber auch in allen Ländern alle Landeshauptleute – trotz einer gleichzeitig immer inhomogener werdenden Wählerschaft.

Das Misstrauen in die SPÖ-ÖVP-Koalition und deren Kompetenz, die täglichen Existenzsorgen vieler Österreicher tatsächlich zu bewältigen, ist auch groß. Das gilt für die hohen Wohnungskosten, die einen großen Teil des Einkommens auffressen, ebenso wie für die immer weiter um sich greifende Angst um einen Arbeitsplatz und Jobs für Junge, damit diese ihre Existenz sichern können.

Kein Wunder, dass seit Sonntag die Nervosität in der ÖVP beträchtlich ist. Mitterlehner hat zwar eine bessere Kommunikation gegenüber der Bevölkerung zugesagt. Aber auch das ist nach verlorener Wahl nicht neu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2015)

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