Spitalsärzte: Streikdrohung wirkt

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Der Gehaltsstreit zwischen Ärztekammer und Stadt Wien steuert auf eine Eskalation zu. An der Androhung von Streik scheint kein Weg vorbeizuführen. Dann könnte es aber schnell gehen.

Wien. Zu sagen, bei den Verhandlungen über die Umsetzung des neuen Arbeitszeitgesetzes für Spitalsärzte sind die Fronten zwischen der Ärztekammer und der Stadt Wien verhärtet, wäre glatter Euphemismus. Im einzigen Bundesland Österreichs, in dem es noch keine Einigung gibt, wurden die Boxhandschuhe längst ausgezogen, gekämpft wird mit bloßen Fäusten – indem man einander etwa öffentlich ausrichtet, „interne Spielchen zu bedienen“ oder „bewusst Falschinformationen zu verbreiten“.

Für die Ärzteschaft Grund genug, zum finalen Druckmittel zu greifen – der Androhung von Streik. Dass diese Maßnahme funktioniert, hat zuletzt die Einigung zwischen der Med-Uni Wien und dem AKH gezeigt, als man dem Betriebsrat am letzten Abstimmungstag der Ärzte über einen möglichen Streik ein Angebot unterbreitete, das sofort angenommen wurde. Bei einer Einmalzahlung von 8000 pro Arzt, einer Gehaltserhöhung von rund 20 Prozent ab 2016 und einer weiteren von zehn Prozent ab 2019 sowie umfassenden Strukturmaßnahmen sagt man auch nicht Nein.

„Arbeitskampf legitimes Mittel“

Für Klaus Firlei vom Fachbereich für Arbeits- und Wirtschaftsrecht der Universität Salzburg ist klar: Die Streikdrohung war der entscheidende Grund für die Med-Uni, um einzulenken – obwohl bis zuletzt behauptet worden war, dass die Forderungen des Betriebsrats nicht zu erfüllen seien. Seiner Meinung nach ist die Ankündigung eines Arbeitskampfs sogar eine legitime Maßnahme, um Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen durchzusetzen, wie er bei einem Symposium der neuen Ärztegewerkschaft Asklepios betont hat.

Deren Obmann, Gernot Rainer, ist einer der treibenden Kräfte eines Streiks, sollte die Stadt an der Reduzierung von Dienstposten festhalten. „Die Stimmung unter den angestellten Ärzten ist katastrophal. Weder Politik noch Arbeitgeber setzt sich für eine Verbesserung der Bedingungen ein“, sagt der Lungenfacharzt. „Das bestehende Arbeitsrecht wird mitunter mit Füßen getreten. Sollte diese Entwicklung einen Streik erfordern, werden wir ihn durchführen.“

Dass es unter den Wiener Medizinern eine Bereitschaft dazu gibt, zeigt das eindeutige Ergebnis der Abstimmung im AKH: 94,7 Prozent der knapp 2000 wahlberechtigten Ärzte würden im Bedarfsfall streiken. Ein ähnliches Ergebnis wäre auch bei den rund 3200 Medizinern der Gemeindespitäler zu erwarten, sollten sie danach gefragt werden – wonach es derzeit aussieht, denn Kammerpräsident Thomas Szekeres deutete schon vor Wochen an, dass es zu einer Abstimmung kommen werde, falls die Stadt auf die Forderungen der Kammer nicht eingehe.

Das könnte schon bald passieren, denn Ende vergangener Woche schlug die Kammer erneut ein Angebot von Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) aus. Streitpunkt ist neben der Reduzierung von Dienstposten nach wie vor die Bezahlung, nämlich eine weitere Zulage für Nachtdienste – vor allem an Sonn- und Feiertagen. Eine Aufbesserung der Nachtdienste würde die Stadt noch einmal 25 Millionen Euro kosten, meint Wehsely. Das sei „ganz sicher nicht drin“.

Die Forderung sei nicht nur sachlich nicht gerechtfertigt, „sondern würde auch das Gefüge in der gesamten Stadt durcheinanderbringen und den Beginn einer neuen Diskussion in allen Bundesländern bedeuten“. Denn eine Erhöhung der Nachtdienstzulagen würde rund 10.000 Euro mehr im Jahr pro Arzt ausmachen. Die Lösung im KAV sehe derzeit vor, dass das Budget für Zulagen in die Grundgehälter umgeschichtet wird, die dafür ab 1. Juli 2015 stufenweise um 30 Prozent erhöht werden.

„Entspricht nicht der Realität“

Was wiederum für die Ärztekammer nicht nachvollziehbar ist. Der 30-prozentige Anstieg der Gehälter entspreche nicht der Realität. Zwar würden die Grundgehälter steigen, aber die Zulagen und Entgelte für Nachtdienste gestrichen. Die tatsächlichen Gehaltserhöhungen seien daher wesentlich geringer. Das unterscheide auch die Gehaltssituation der Ärzte in Gemeindespitälern von jenen der Med-Uni.

Die Kammer berät nun am 8. Juni über das Gesamtangebot, Szekeres hält eine Annahme aber für „sehr unwahrscheinlich“. Was eine Ablehnung für direkte Folgen hätte, will er noch nicht sagen. Für Gernot Rainer gibt es aber nur eine Konsequenz: Streik. „Denn: Wenn die Versorgung der Bevölkerung substanziell gefährdet ist, muss man dagegen ankämpfen.“

Auf einen Blick

Streit. Im AKH und in den Ordensspitälern gibt es bei der Umsetzung des neuen Arbeitszeitgesetzes bereits eine Einigung, im Wiener KAV spießt es sich hingegen noch immer an der Bezahlung. Während die Ärztekammer einen Nachtdienstzuschlag für Sonn- und Feiertage fordert und andernfalls mit Streik droht, ist für Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely eine weitere Zulage „ganz sicher nicht drin“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2015)

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