Rot-blaue Koalition: Ein Tabu, das (sehr) langsam bröckelt

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Am Mittwoch beginnt Burgenlands Landeshauptmann Niessl die Koalitionsgespräche. Nicht jeder unterstützt ihn dabei.

Wien. Bisher war es der Proporz: Durch jene Regelung, die größeren Parteien automatisch einen Platz in der Regierung einräumt, konnte die FPÖ in den Bundesländern mitregieren. Fünf solcher Proporz-Landesräte stellen die Freiheitlichen landesweit. Die anderen Parteien arbeiten größtenteils mit ihnen zusammen, weil sie es müssen. Wollen tun sie es nicht. Zumindest fand in den vergangenen Jahren die jeweils stärkste Partei immer einen attraktiveren Koalitionspartner als die FPÖ.

Dass sich Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) nach der Wahl dennoch Rot-Blau offen lässt, sorgt österreichweit für Aufregung. Die sogenannte Vranitzky-Doktrin, also die Ausgrenzung der Freiheitlichen, bröckelt damit langsam.

Nicht einmal die leidenschaftlichsten Kämpfer gegen Rot-Blau, die Mitglieder der Sozialistischen Jugend (SJ), waren sich am Dienstag einig: Julia Herr, Vorsitzende der Bundes-Jusos und selbst Burgenländerin, warnte die Sozialdemokraten in ihrer Heimat: Rot-Blau hätte für die Glaubwürdigkeit der SPÖ negative Folgen. Sie sei jedenfalls „klar dagegen“. Die Jugendorganisation von Neusiedl reagierte prompt: „Die Roten im Burgenland brauchen Äußerungen wie jene von Julia Herr wie einen Kropf.“ Die Bundes-Chefin habe der SPÖ Burgenland „bisher nichts gebracht, schon gar keine Stimmen“. Man könne auf solche „Sidekicks“ verzichten.

Tatsächlich hat die SJ-Burgenland (wie alle anderen Vertreter im Landesvorstand) einen Beschluss mitgetragen, mit allen Parteien zu reden – und, sollte dies die beste Lösung sein, mit der FPÖ zu koalieren. Am Mittwoch beginnt Niessl die Gespräche mit möglichen Regierungspartnern.

„Meine Haltung zur FPÖ ist klar“

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) wollte sich am Dienstag in die pannonischen Angelegenheiten jedenfalls nicht einmischen. Mit wem Niessl koaliere, sei Sache der burgenländischen Roten, meinte er. „Ich möchte die FPÖ Burgenland nicht kommentieren“, sagte er nach dem Ministerrat.

Im Bund komme Rot-Blau für ihn allerdings nicht in Frage: „Meine Haltung zur FPÖ ist klar und bleibt es auch.“ Skeptischer äußerten sich da schon die roten Minister: In Kärnten hätten die Blauen lange regiert und nun sei das Land „im Eck“, meinte Infrastrukturminister Alois Stöger. Für ihn sei klar: „Wer ein offenes Österreich will – mit der FPÖ geht das nicht.“ Daher wünsche er sich eine rot-blaue Koalition im Burgenland „ganz sicher nicht“. Sozialminister Rudolf Hundstorfer schloss sich an. Für ihn sei die FPÖ eine „trennende und ausgrenzende Partei“. Klubobmann Andreas Schieder fügte hinzu: „Mein Eindruck ist, dass die FPÖ nicht regierungsfähig ist.“ Wo auch immer die Freiheitlichen regiert hätten, hätte das zu einem Desaster geführt.

„Gewählte Parteien nicht ausschließen“

Viel Spielraum gebe es im Bund – hält man sich an Parteitags-Entscheidungen – ohnehin nicht: Seit 2004 gilt ein Beschluss, der eine Koalition zwischen SPÖ und FPÖ quasi verbietet. In der Vergangenheit plädierten immer wieder Funktionäre dafür, diese Entscheidung zu überdenken. So wie Peter Wittman, Abgeordneter und Verfassungssprecher der Partei. „Man ist gut beraten, demokratisch gewählte Parteien nicht kategorisch auszuschließen“, sagte er der „Presse“.

Auf lokaler Ebene ist eine Zusammenarbeit dennoch möglich, wie Graz zeigt: In der steirischen Landeshauptstadt gibt es ein Arbeitsübereinkommen zwischen Rot, Schwarz – und eben auch Blau. Eine Koalition zwischen SPÖ und FPÖ auf Landesebene ist hingegen schon etwas länger her: 2004 schlossen sich Jörg Haider und Peter Ambrozy zusammen. Allerdings dauerte die Koalition nur zwei Jahre.

Rund ein Jahrzehnt später könnte es nun eine Neuauflage geben – als burgenländische Variante. Auch wenn es andernorts nicht gern gesehen wird – die Unterstützung seiner Funktionäre hat sich Niessl bereits Monate im Vorfeld gesichert: 88 Prozent der burgenländischen Parteimitglieder sprachen sich für Sondierungsgespräche mit der FPÖ aus.

Bei den bevorstehenden Wahlen stellt sich diese Frage allerdings nicht: In Wien wird Rot-Blau abgelehnt, in Oberösterreich dürfte die SPÖ nicht in die Verlegenheit kommen, sich als stärkste Kraft einen Koalitionspartner aussuchen zu dürfen. Bleibt für die FPÖ nur die Hoffnung auf andere Partner. Oder der Proporz: Oberösterreich, Kärnten und Niederösterreich haben ihn noch. Und Wien zumindest auf dem Papier. (ib/APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2015)

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