Rot-Blau: Faymann ruft zur SPÖ-Krisensitzung

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Der angeschlagene Parteichef will in die Gegenoffensive gehen. Und mit Druck auf die Innenministerin von seinen Problemen ablenken.

Wien. Die Bundes-SPÖ ist eine Woche nach dem Debakel bei den Landtagswahlen in der Steiermark sowie im Burgenland, vor allem aber seit dem Abschluss eines rot-blauen Regierungspakts in Eisenstadt am Freitag völlig paralysiert. Bundeskanzler Werner Faymann sieht sich SPÖ-intern mit Rücktrittsaufforderungen konfrontiert, unter anderem von Ex-Finanzminister Ferdinand Lacina und dem Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler in der „Presse am Sonntag“. Am Sonntag versuchte der angeschlagene Parteichef, das Gesetz des Handelns umzusetzen. Er nützte, relativ ungewöhnlich, als Plattform die ORF-Sendung „Hohes Haus“ und kündigte für Montagabend ein Treffen des SPÖ-Präsidiums an.

Dabei solle der burgenländische Landeshauptmann, Hans Niessl, über die Koalition berichten, so Faymann. Und er will auch eine inhaltliche Diskussionen darüber, wie die Themen Asylwerber oder Arbeitsmarkt bearbeitet werden sollen. Ob es auch um seine Funktion als Bundesparteivorsitzender geht? Faymann verneinte: „Keine Sorge.“

Damit spitzt sich in der Bundesregierung die Auseinandersetzung um die Unterbringung der tausenden Asylwerber deutlich zu. Innerhalb der Kanzlerpartei ist zuletzt wegen der von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner seit Mitte Mai angeordneten Errichtung von Zelten für Flüchtlinge nicht nur der Druck auf die ÖVP-Ressortchefin in der Wiener Herrengasse, sondern auch auf Regierungschef Werner Faymann gestiegen, ein Machtwort zu sprechen. Der Bundeskanzler gibt diesen Druck nun weiter und lenkt von den SPÖ-internen Rot/Blau-Debatten ab: Er verlangt ein rasches Beenden der Unterbringung von Flüchtlingen in Zeltstädten.

Die in den ersten Monaten dieses Jahres dramatisch erhöhte Zahl von Asylwerbern in Österreich – wobei die Situation sich in den vergangenen Wochen noch weiter zugespitzt hat – hat Mikl-Leitner veranlasst, Zelte in Linz, Salzburg und vor wenigen Tagen auch welche für rund 480 Flüchtlinge direkt neben dem Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen südlich von Wien aufstellen zu lassen. Mittlerweile sind bereits knapp 1000 Asylsuchende in Zelten untergebracht.

Für raschen Abbau der „Zeltstädte“

Neben Protesten in den betroffenen Städten steigt innerhalb der Sozialdemokratie der Unmut über diese Form der Flüchtlingspolitik der Innenministerin. Bundeskanzler Faymann und die Bundesregierung stehen angesichts der Schwierigkeiten bei der Suche nach ausreichend Flüchtlingsquartieren in ganz Österreich grundsätzlich hinter der ÖVP-Ressortchefin. Mit einer Ausnahme: Der Regierungschef und SPÖ-Vorsitzende erhöht nun öffentlich den Druck, die „Zeltstädte“ rasch wieder abzubauen. Mikl-Leitner hat selbst angekündigt, dass sie den Bundesländern noch bis 19. Juni eine letzte Frist lässt, um ausreichend Plätze für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Andernfalls werde sie per Verordnung veranlassen, dass Kasernen zur Beherbergung von Asylwerbern geöffnet werden. In Koalitionskreisen ist nun zu erfahren, dass es damit schneller gehen könnte, um die Betroffenen aus den Zelten umquartieren zu können. Möglicherweise kommt es morgen, Dienstag, beim Ministerrat zu einem Machtwort der Regierung. Schließlich hat Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) mittlerweile vier Kasernenstandorte (Horn, Bleiburg, Vomp, Tamsweg) als geeignet angeboten. Dort könnten bis zu 3000 Flüchtlinge untergebracht werden.

Die Innenministerin gerät aber nicht nur vonseiten des Koalitionspartners SPÖ unter verstärkten Zugzwang. Hermann Schützenhöfer, der steirische Vizelandeshauptmann und ÖVP-Landesobmann, hat am Samstag im Interview mit der „Presse“ sogar einen Aufnahmestopp für Asylwerber gefordert. Österreich habe die geplante europäische Quote übererfüllt. Wie die Bundesregierung fordert auch er eine bessere Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der Europäischen Union.

Schützenhöfer liegt – abgesehen vom Aufnahmestopp – damit auch ganz auf der Linie von Vizekanzler ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner, der wie auch Faymann auf Durchsetzung einer EU-weiten Flüchtlingsquote drängt, um die Lasten des Zustroms gleichmäßiger aufzuteilen. Zugleich werden von der künftigen rot-blauen Landesregierung im Burgenland noch weiterreichende Forderungen an die Innenministerin herangetragen. Das neue SPÖ-FPÖ-Bündnis verlangt von Mikl-Leitner im knapp 40 Seiten starken Arbeitsübereinkommen, in dem den Themen Asyl und Sicherheit besonders breiter Raum eingeräumt wurde, vor allem eine Verschärfung der asyl- und fremdenrechtlichen Regelungen („Die Presse am Sonntag“ hat berichtet). Dazu gehören Eilverfahren zur Abklärung innerhalb von zehn Tagen, ob Asylwerber aus einem anderen EU-Staat oder überhaupt nur aus wirtschaftlichen Überlegungen nach Österreich gekommen sind. Außerdem wird im rot-blauen Pakt auf rasche Abschiebungen und eine Grundversorgung gedrängt, um bis zur Abschiebung das „Abtauchen in die Illegalität“ zu verhindern.

Erstaufnahmezentren fehlen

Auf die Innenministerin kommt schon das nächste Probleme zu. Zwar hat das Parlament eine Änderung des Asyl- und Fremdenrechts beschlossen, nach der Asylwerber nicht mehr in die Erstaufnahmezentren Traiskirchen sowie Thalham, sondern in Erstaufnahmezentren in den Bundesländern kommen sollen. Allerdings ist bisher nur eines in Salzburg fix. Bis Ende Juni muss eine Lösung gefunden werden. Das Burgenland will sich mit allen rechtlichen Mitteln gegen ein Erstaufnahmezentrum auf dem Kasernenareal in Bruckneudorf wehren. Die Stimmung bleibt angespannt. Denn für morgen, Dienstag, hat der Traiskirchner Bürgermeister, Andreas Babler (SPÖ), eine Demonstration vor dem Innenministerium in Wien angekündigt.

Auf einen Blick

Rot-Blau im Burgenland sorgt in der SPÖ für erheblichen Erklärungsbedarf. Denn es existiert ein gültiger Beschluss des SPÖ-Bundesparteitags, keine derartige Koalition zu bilden. Er ist für alle Ebenen bindend. Landeshauptmann Hans Niessl hat dieses Tabu in Eisenstadt gebrochen, durch die SPÖ geht seither ein Riss. Parteichef Werner Faymann wird Führungsschwäche vorgeworfen. Er hat am Sonntag eine Sitzung des SPÖ-Präsidiums für heute, Montag, angesetzt. Dabei will er auch einen Ausweg aus dem Asyldilemma finden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2015)

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