Kontoöffnung: Schelling in der Zange

(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
  • Drucken

Die Arbeiterkammer rebelliert nun wegen des Zerfledderns der Steuerreform. In der ÖVP steigt aus Niederösterreich der Druck auf den Finanzminister wegen der Kontoeinschau.

Wien. Vor dem Beschluss der Steuerreform und dem Kampf gegen Steuerbetrug mit Kontoregister und leichterer Öffnung von Bankkonten am kommenden Dienstag im Ministerrat gerät Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) zusehends in eine Zwickmühle. Auf SPÖ-Seite macht jetzt die Arbeiterkammer ihrem Ärger Luft, weil die Steuerentlastung vom Konflikt um die Kontoeinschau völlig überschattet wird. Auf der ÖVP-Seite sind Regierungsspitze und Finanzminister damit konfrontiert, dass nach der steirischen ÖVP nun Niederösterreichs ÖVP im Auftrag von Landeshauptmann Erwin Pröll die Öffnung von Bankkonten ohne vorherigen richterlichen Beschluss ablehnt. Damit hängt der Beschluss des Steuerreformpakets am 9. Juli im Nationalrat in der Luft.

Binnen Stunden hat sich die Situation zugespitzt. Arbeiterkammerpräsident Rudolf Kaske und AK-Direktor Werner Muhm, der für die SPÖ die Steuerreform maßgeblich verhandelt hat, ist der Kragen geplatzt. Er sei „verärgert“, dass durch die Debatte um die Kontoöffnungen, „die durch die ÖVP losgebrochen ist“, wie er säuerlich anmerkte, die positiven Effekte der Steuerentlastung im Ausmaß von fünf Milliarden Euro für die Arbeitnehmer zugedeckt würden.

Abfuhr für ÖVP-Landeschefs

Der AK-Präsident und der AK-Direktor schossen sich wegen des Widerstands gegen die Kontoöffnungen, aber auch wegen der jüngsten Forderungen der drei ÖVP-Landeshauptleute aus dem Westen – Salzburgs Wilfried Haslauer, Tirols Günther Platter und Vorarlbergs Markus Wallner – nach Nachbesserungen bei Mehrwertsteuer und Abschreibungen voll auf die ÖVP ein. „Uns macht viel mehr Sorgen, ob die Dinge, die vereinbart wurden, halten“, betonte Muhm.

Er verwies darauf, dass Einzelheiten, darunter bestimmte Härteregelungen bei Betriebsübergaben, schon im Ministerratsvortrag der Bundesregierung vereinbart worden seien: „Darauf beharren wir, das ist der Punkt.“ Das gilt auch für das vorgesehene zentrale Kontoregister, in dem alle Konten mit Name und Geburtstag des Besitzers, nicht aber der Kontostand vermerkt werden, und für die Kontrolle bei der Kontoeinschau.

Der Finanzminister hat am Montag im Nationalrat mit der Zusage aufhorchen lassen, die Kontrolle könnte nicht durch einen Rechtsschutzbeauftragten, sondern als Alternative auch durch eine „richterliche Stelle“ erfolgen. Er reagierte damit auf wachsenden ÖVP-internen Druck. Voraussetzung für eine Kontoöffnung sei der Verdacht der Finanz auf ein abgabenrechtliches Vergehen. Nach der steirischen ÖVP deponierte nun Niederösterreichs ÖVP durch Klubobmann Klaus Schneeberger, dass es Kontoöffnungen bei allen Finanzverfahren nur bei begründetem Verdacht und nach richterlichem Beschluss geben dürfe.

Derzeit ist eine richterliche Entscheidung vor der Einschau in ein Konto ab 100.000 Euro notwendig. Vor dem Abschluss des SPÖ-ÖVP-Steuerpakets sei das Wort Richter gar nie vorgekommen, so Muhm. Die Forderungen der ÖVP nach einer Ausweitung der Richterbefugnisse wäre eine „Verschärfung“. Ob er das akzeptiere? Muhm winkte ab: „Nein, mit welcher Begründung?“

Ihr Fett bekamen auch die Grünen von Muhm weg, die wegen ihrer möglichen Zustimmung für eine Zweidrittelmehrheit vor allem Häme von den anderen Oppositionsparteien im Parlament ernten. Wenn die Grünen nun deswegen ebenfalls eine Verschärfung bei der Kontoeinschau verlangten, sei das „politisch bemerkenswert“. Immerhin treten die Grünen wie die SPÖ für den Kampf gegen Steuerbetrug und Vermögenssteuern ein.

SPÖ empört über „Eiertanz“

Namentlich knöpfte sich der AK-Direktor Vorarlbergs Landeschef Wallner vor, weil dieser bis zum Verhandlungsabschluss in Wien mit am Tisch gesessen sei. Jetzt fordere ausgerechnet auch Wallner noch Nachbesserungen, etwa auch bei den Abschreibmöglichkeiten, die zuvor gemeinsam paktiert worden waren.

Die Bundes-SPÖ ist ebenfalls mit der Geduld mit dem Koalitionspartner ÖVP langsam am Ende. Nachdem Niederösterreichs ÖVP zum Schutz der Privatsphäre (Schneeberger: „Hände weg davon“) bei ihrer Budgetklausur in Rabenstein an der Pielach Änderungen gefordert hatte, sprach die SPÖ von einem „Eiertanz“.

Während die Arbeiterkammer auf das Steuerreformpaket pocht, kommt auch von der Wirtschaftskammer noch einmal Gegenwind. Geplante Maßnahmen zur Gegenfinanzierung wie die Registrierkassenpflicht und die höhere Grunderwerbssteuer werden in der vorgesehenen Form abgelehnt. AK-Chef Kaske erhöht den Druck auch, damit mehr Mittel im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit eingesetzt werden: beim Wohnbaupaket und für das Arbeitsmarktservice.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.