Steirisches Drama in acht Akten

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Ein strippenziehender Reinhold Lopatka in Wien, ein emotionaler Franz Voves in Graz: Wie Hermann Schützenhöfer überraschend steirischer Landeshauptmann wurde.

In der ÖVP wird dieser Tage der eine oder andere Bildungsbürger an das „Faust“-Zitat „Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“ denken müssen. Oder an Adam Smiths Theorem, dass das, was einer aus Eigennutz tut, letztlich auch der Allgemeinheit zugute kommt. Es lief nämlich so ab, das steirische Drama in acht Akten:

1. Akt: Nach der Landtagswahl begann Reinhold Lopatka, der ÖVP-Klubchef im Parlament, mit Gesprächen mit der FPÖ-Spitze in Wien über eine allfällige schwarz-blaue Koalition in Graz. In den ersten Tagen noch geduldet, ja durchaus erwünscht von den steirischen Parteifreunden. Schließlich sind zwei Optionen besser als eine.

2. Akt: Im Laufe der Zeit verselbstständigte sich Lopatkas Eifer. Die einen sagen, weil er selbst etwas zu werden hoffte, Landeshauptmann unter Schwarz-Blau zum Beispiel. Die anderen sagen, Lopatka sei es nicht um sich, sondern um die Partei gegangen. Nicht nur aus taktischen Gründen. Lopatka war schon auch selbst ein Anhänger der schwarz-blauen Variante – wie etwa auch der steirische ÖVP-Nationalratsabgeordnete Fritz Grillitsch.

3. Akt: Die Verhandlungsführer in Graz, Hermann Schützenhöfer und Landesrat Christopher Drexler, wollten jedoch lieber eine Neuauflage von Rot-Schwarz. Mit der Bedingung: Es müsste eine Halbzeitlösung geben. Die SPÖ die erste Hälfte, die ÖVP die zweite. Deren Argument: Bei der Landtagswahl 2010 seien SPÖ und ÖVP nur 7123 Stimmen auseinander gewesen, nun überhaupt nur noch 5461.

4. Akt: Zu diesem Zeitpunkt war die SPÖ nicht bereit, darauf einzusteigen. In Wien signalisierte die FPÖ-Führung indessen, dass die FPÖ bereit wäre, die Reformpartnerschaft mitzutragen, wenn es in Graz zu Schwarz-Blau käme.

5. Akt: Für Schützenhöfer und Drexler war die schwarz-blaue Option bisher nicht mehr als eine Art Hintergrundmusik zu den Verhandlungen mit der SPÖ gewesen. Doch nun wurde es ernst. Schützenhöfer konfrontierte Voves damit, dass es starke Kräfte für Schwarz-Blau gebe. Nun schien die SPÖ auf die Halbzeitlösung einzuschwenken.

6. Akt: Und dann geschah etwas Ungewöhnliches, ja eigentlich Unglaubliches: Über den genauen Hergang bewahren die Beteiligten Stillschweigen, deren Umgebung verweist auf allfällige Memoiren. In kleiner Runde sagte Voves Schützenhöfer auf einmal zu, dass er die gesamte Legislaturperiode haben könne, also fünf Jahre. Es dürfte die alleinige Entscheidung von Voves gewesen sein. Man kann davon ausgehen, dass die Parteizentrale in Wien erst nachträglich darüber informiert wurde – wie auch Voves' eigene steirische Partei.

7. Akt: Im danach einberufenen SPÖ-Landesparteivorstand versuchten die Gewerkschafter noch zu retten, was zu retten war. Verteidigungsminister Gerald Klug, so deren Szenario, könnte unter Rot-Blau Landeshauptmann werden. Doch Voves gelang es, die Mehrheit von seiner Variante zu überzeugen. Die ÖVP würde sonst Schwarz-Blau machen. Dann sei die SPÖ nach Abschaffung des Proporzes völlig weg vom Fenster. Keine Förderungen, keine Posten, kein Einfluss – nichts mehr. Am Ende blieb es bei vier Gegenstimmen.

Letztlich hat also Reinhold Lopatka mit seinem nachdrücklichen Wunsch nach Schwarz-Blau Hermann Schützenhöfer den Landeshauptmann eingebracht, der das eigentlich gar nicht so wirklich wollte. Bleibt noch die Frage, warum Franz Voves darauf eingestiegen ist und Schützenhöfer die volle Periode überlassen hat. Höchstwahrscheinlich, weil er Hermann Schützenhöfer mittlerweile mehr traut und zutraut als den eigenen Genossen. Und nicht nur das Land bei ihm in guten Händen sieht, sondern auch die Fortführung seines Lebenswerks, der Reformpartnerschaft, garantiert. Und Voves hat bei der Gelegenheit auch noch seinen Schützling Michael Schickhofer an führender Stelle untergebracht.

8. Akt: „Voves und Schützenhöfer haben in den vergangenen fünf Jahren wirklich ein intensives Vertrauensverhältnis zueinander aufgebaut. Das hat sich nun auch wieder gezeigt“, sagt ein Verhandler. Die herzliche Umarmung zum Abschied vor laufenden Kameras, die Rührung, die Tränen in Schützenhöfers Augen, dürften also keine Show gewesen sein. Und Franz Voves zeigte seiner Partei, insbesondere jener in Wien, am Ende noch einmal, dass sie für ihn Nebensache war und ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2015)

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