Asyl-Gipfel: Faymann blitzt bei schwarzen Ländern ab

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Näher an einem Eklat als an einem Ergebnis waren die vierstündigen Verhandlungen beim Asyl-Gipfel. Niederösterreichs Erwin Pröll kritisierte schlechte Vorbereitung durch den Kanzler. Die Bezirksquote ist vom Tisch.

Die Hoffnungen auf einen Schulterschluss in der Flüchtlingsbetreuung haben sich am Mittwochabend zerschlagen. Mehr als vier Stunden saßen Regierung und Länder zusammen, ohne auf einen grünen Zweig zu kommen. Die von Kanzler Werner Faymann (SPÖ) vorgeschlagene Bezirksquote ist vom Tisch. Seit Tagen hatte der SPÖ-Chef seinen Vorschlag getrommelt, die Aufteilung der Asylwerber auf Bezirksebene zu organisieren. Goutiert wurde dieser Vorschlag zwar am Montag beim ersten Gipfel von den Hilfsorganisationen, nicht aber am Mittwoch beim zweiten von den Ländern.

Speziell die ÖVP-regierten Länder lehnten den Vorschlag ab. Die SPÖ-geführten Länder hielten sich nach Darstellung von Sitzungsteilnehmern heraus bzw. befürworteten den Vorstoß. Warum die Länder die Bezirksquoten ablehnen, war am Mittwochabend nicht authentisch zu erfahren. Denn die ÖVP-Landeshauptleute verließen den Gipfel angeführt vom Vorsitzenden der LH-Konferenz Erwin Pröll mit großteils grimmigen Mienen. Die SP-Landeshauptleute verabschiedeten sich durch den Hintereingang.

Pröll kritisierte Tags darauf, dass der Asylgipfel von Kanzler Werner Faymann "äußerst oberflächlich vorbereitet" worden sei. Am grünen Tisch entwickelte Vorschläge seien "völlig praxisfern und -untauglich". Die Bezirksquoten hätten auch ein "gegenseitiges Ausspielen" von Bezirken bedeutet.

Bericht der "Kronen Zeitung" sorgte für Unmut

Wie im Anschluss an das Spitzengespräch zu erfahren war, dürften aber nicht nur inhaltliche Bedenken zum schlechten Ausgang geführt haben. Für atmosphärischen Ärger sorgte nämlich ein Bericht in der Abendausgabe der "Kronen Zeitung". Zur Eskalation habe letztlich geführt, dass das Kanzleramt versucht habe, in der Abend-Ausgabe der "Kronen Zeitung" das Ergebnis des Gipfels schon vorwegzunehmen.

Nach der Sitzung konnte man ohnehin nicht mehr von Regierungsvorschlägen sprechen. Denn Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der in den vergangenen Tagen noch vorsichtige Zustimmung zum Faymann-Plan geäußert hatte, kann nun den Gegenargumenten der Länder viel abgewinnen. Diese seien etwa, dass bei einer Quote jene Bezirke, die jetzt schon überdurchschnittlich viele Asylwerber aufnehmen, dann sofort Plätze stornieren könnten, obwohl noch gar keine neuen in den säumigen Bezirken vorhanden seien.

SPÖ: "Innenministerin gefordert"

Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) hat nach dem Scheitern des Gipfels alle Beteiligten zu gemeinsamen Anstrengungen aufgerufen: "Wir müssen bereit sein, regionale Partiklarinteressen dem Gemeinwohl unterzuordnen."

Als "unverständlich und enttäuschend" bezeichnete SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder am Donnerstag das "unsolidarische Verhalten" der VP-Landeshauptleute, die sich gegen eine Bezirksquote für Flüchtlinge gestellt haben. Es sei "politisch und moralisch verwerflich, auf dem Rücken der Ärmsten Politik zu machen", so Schieder in einer Aussendung.

Der Klubobmann sieht besonders Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) gefordert, "ihre" Landeshauptleute beim Wort zu nehmen, wenn sie davon sprechen, menschenwürdige und gerecht verteilte Unterkünfte organisieren zu wollen. "Für parteipolitisches Geplänkel ist keine Zeit, insbesondere was die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge betrifft", so Schieder. Es sei ein "politisches Trauerspiel", wenn Landeshauptleute der ÖVP, die sich Familienpartei nenne, Kinder und Jugendliche, die ohne ihre Familien geflüchtet seien, einfach vergesse und sie ignoriere.

ÖVP: Faymann soll Druck in der EU machen

Auch Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) hat am Donnerstag mit seiner Kritik nicht hinterm Berg gehalten. "Ich habe mich dezidiert gegen Bezirksquoten ausgesprochen, weil sie das Problem lediglich verlagern, aber nicht zu einer Lösung beitragen", erklärte er. Platter bezeichnete die Bezirksquoten als "unausgereiften Vorschlag". Derartige Quoten würden mehr verunsichern als helfen. Die Bundesländer seien "sehr wohl" in der Lage, selbst für eine ausgewogene Verteilung der Kriegsflüchtlinge zu sorgen, meinte der Tiroler Landeshauptmann: "In Tirol arbeiten wir in dieser Frage schon länger intensiv mit den Bezirkshauptmannschaften zusammen".

Entscheidend sei, die Gemeinden in die Entscheidungen einzubinden. Denn von diesen hänge ab, ob die Unterbringung und Integration von Asylwerbern gelinge. Platter sah vielmehr Faymann gefordert, "Druck auf seine Amtskollegen in der EU" hinsichtlich einer Verteilungsquote auf europäischer Ebene auszuüben. Das würde uns im Gegensatz zu Bezirksquoten "entscheidend" weiterbringen, so Platter.

Länder sichern 2500 Plätze zu

Nach dem Gipfel haben sich jedenfalls die Länder durchgesetzt. Sie können die notwendigen Plätze nach eigenem Gutdünken schaffen - wenn sie wollen auch mit Bezirksquote, wie Faymann betonte. Fürs erste haben die Länder bereits 2500 zugesichert, die meisten davon dem Vernehmen nach Wien und Niederösterreich, ohnehin die Musterschüler bei der Flüchtlingsunterbringung.

Insgesamt sollen bis Ende Juli 6500 Plätze verfügbar gemacht werden. Wie, das soll kommende Woche das Innenministerium mit den Ländern ausmachen, wie Ressortchefin Johanna Mikl-Leitner im Anschluss bekanntgab, die in diesen Plätzen zumindest ein Etappenziel sieht. Dass es für das völlig überfüllte Bundesquartier in Traiskirchen fürs erste keine große Entlastung gibt, musste man seitens der Regierung zugestehen. Auch konnte Kanzler Faymann nicht ausschließen, dass Ende Juli noch immer Zeltstädte stehen.

Hilfsorganisationen ernüchtert

Hinzugebeten hatte man zu dem Gipfel auch die Vertreter von Hilfsorganisationen, die sich im Anschluss ernüchtert zeigten. Einzig positives Ergebnis für sie war, dass 2500 Plätze mehr oder weniger sofort entstehen. Denn dass es mehr Geld für die Betreuung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge geben soll, wurde zwar in der Sitzung bejaht, die Zusagen waren aber vage, berichtete Caritas-Präsident Michael Landau.

(APA)

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