Öffentliche Demontage eines SPÖ-Chefs hat keine Tradition

Austrian Vice Chancellor Mitterlehner and Chancellor Faymann address a news conference after a cabinet meeting in Vienna
Austrian Vice Chancellor Mitterlehner and Chancellor Faymann address a news conference after a cabinet meeting in Vienna(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Kreisky siegte in Kampfabstimmung, Sinowatz, Vranitzky machten rasch Platz: Über Faymann wird wie bei Gusenbauer »gesudert«.

Zweimal in Folge magere Ergebnisse bei der Wahl zum SPÖ-Chef, zuletzt Rücktrittsaufforderungen und Zweifel an seiner Führungskraft: Werner Faymann durchlebt als SPÖ-Chef eine Situation, wie sie bei seinen Vorgängern an der Spitze der Partei durchaus keine Tradition hat. Das öffentliche Demontieren von Parteichefs zelebrierte die ÖVP ungleich häufiger und länger.

Die SPÖ hat daher in der Zweiten Republik auch deutlich weniger Parteivorsitzende verschlissen als die ÖVP Bundesparteiobmänner. Acht SPÖ-Chefs stehen seit 1945 nun 16 ÖVP-Obleute gegenüber. Allein seit der Amtsübernahme von Werner Faymann in der SPÖ, die im Juni 2008 fixiert und offiziell im August 2008 bei einem Bundesparteitag besiegelt wurde, hat die ÖVP vier Parteiobmänner verbraucht: Wilhelm Molterer, Josef Pröll, Michael Spindelegger sowie Reinhold Mitterlehner, der seit August des Vorjahres an der Spitze der Bundes-ÖVP steht.

Allerdings hatte schon die Ablöse von Alfred Gusenbauer als SPÖ-Vorsitzendem und Bundeskanzler im Sommer 2008 ähnliche Züge wie das oft monatelange „Obmannschlachten“ in der Volkspartei. Fehlende Wahlerfolge der SPÖ in den Bundesländern nach dem misslungenen und von Protesten der Jungen in der SPÖ wegen der Nichtabschaffung der Studiengebühren begleiteten Amtsantritt Gusenbauers als Bundeskanzler im Jänner 2007 standen am Anfang.

Das Murren über den 2000 nach dem SPÖ-Verlust des Kanzleramts an Schwarz-Blau als SPÖ- und Oppositionschef inthronisierten Gusenbauer schwoll dann beständig an. Dem zum geflügelten Wort gewordenen „Sudern“ der Genossen in den Ländern folgte, angeführt von der Wiener SPÖ unter Bürgermeister Michael Häupl, die Demontage des SPÖ-Vorsitzenden.


Episode Klima. Von 1997 bis 2000 stand recht kurz der Ex-OMV-Manager und spätere Minister Viktor Klima an der Spitze der Sozialdemokratie. Anfangs wegen der guten Umfragewerte für die SPÖ wohlgelitten, kostete ihn das Platzen der rot-schwarzen Koalitionsverhandlungen nicht nur – unter Tränen – das Amt des Regierungschefs, sondern auch jenes an der Parteispitze.


Rückzug über Nacht. Den Weg dorthin hatte ihm im Jänner 1997 praktisch über Nacht Franz Vranitzky frei gemacht. Dieser war immerhin gut ein Jahrzehnt zuerst als Bundeskanzler (1986) und nach zweijähriger Ämtertrennung im Mai 1988 Fred Sinowatz an der SPÖ-Spitze gefolgt. Der Wechsel von Sinowatz zu Vranitzky, der als „Nadelstreifsozialist“ in der Partei bisweilen auch scheel beäugt wurde, war im Juni 1986 nach der SPÖ-Schlappe bei der Bundespräsidentenwahl gegen Kurt Waldheim im Eilzugstempo erfolgt. Mit Vranitzky sicherte sich die SPÖ nach dem Bruch der kleinen rot-blauen Koalition im Herbst 1986 bei der Nationalratswahl noch Platz eins vor Alois Mocks ÖVP.

Fred Sinowatz, zuvor beliebter Unterrichtsminister, hatte 1983 gegen seine Überzeugung das schwere Erbe von „Sonnenkönig“ Bruno Kreisky angetreten. Der Historiker aus dem Burgenland scheiterte in der von Skandalen gebeutelten rot-blauen Bundesregierung.

Kreisky selbst hat als einziger SPÖ-Vorsitzender der Zweiten Republik in einer Kampfabstimmung gegen Hans Czettel am 1. Februar 1967 die Führung der Partei übernommen. Drei Jahre später holte Kreisky für die SPÖ das Bundeskanzleramt. Anlass für den Umsturz an der SPÖ-Spitze und die Weichenstellung in Richtung Kreisky-Ära war, dass die ÖVP mit Josef Klaus 1966 nach einer verheerenden SPÖ-Schlappe erstmals eine Alleinregierung bilden konnte. Es war eine Zäsur nach der immer lähmenderen Regierungstätigkeit der Großen rot-schwarzen Koalition nach dem Zweiten Weltkrieg.

Bruno Pittermann, immerhin schon seit 1957 SPÖ-Vorsitzender, war da nicht mehr zu halten gewesen. Dieser war selbst Adolf Schärf nachgefolgt, der seit Ende 1945 SPÖ-Chef und danach Bundespräsident war.

Parteichefs

SPÖ. In 126 Jahren hatte die Partei nur neun Vorsitzende:

Victor Adler
1889 bis 1918

Karl Seitz
1918 bis 1945

Adolf Schärf
1945 bis 1957

Bruno Pittermann 1957 bis 1967

Bruno Kreisky
1967 bis 1983

Fred Sinowatz
1983 bis 1988

Franz Vranitzky
1988 bis 1997

Viktor Klima
1997 bis 2000

Alfred Gusenbauer 2000 bis 2006

Werner Faymann
seit 2006

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2015)

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