Asyl wird zur "Strafverschärfung" für Länderchef

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Die ÖVP-Landeshauptleute Pühringer und Pröll nehmen Faymann und die Sozialistische Internationale in die Pflicht. Die Bundesländer stellen Bedingung für den neuen Finanzausgleich: Der Pflegefonds muss bis 2020 mit mehr Geld verlängert werden.

Linz. Süßes wurde im Anschluss kredenzt. An den Gast aus St.Pölten, Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll, der mit dem heutigen 1.Juli den Vorsitz in der Konferenz der Landeshauptleute an seinen oberösterreichischen Amtskollegen und ÖVP-Parteifreund Josef Pühringer abgibt, wurde im Linzer Landhaus eine Linzer Torte überreicht. Etwas, das Pröll schon bei seiner Mutter gemundet hat. Bevor er den Taktstock an Pühringer übergab, gab es aus Niederösterreich Süßes in Form eines Apfelkuchens.

Sonst dominierte bei der Zepterübergabe zur Jahresmitte 2015 unter den am längsten dienenden schwarzen Landeschefs, die beide bereits mehr als 20 Jahre im Amt sind, Saures. „Du, lieber Sepp, wirst über Arbeitsmangel im zweiten Halbjahr nicht klagen müssen“, schickte Pröll bei einem Presseauftritt mit Pühringer im Sitzungssaal der oberösterreichischen Landesregierung salopp voraus. Nach dem Sechsmonatsturnus an der Spitze der Landeshauptleute seit Beginn 2015 fasste Pröll zusammen, diese Koordinationsarbeit sei „schon eine entsprechende Strafverschärfung“. Das gilt speziell für die Quartiersuche für Asylwerber, wegen der zuletzt zwischen den Ländern und Bundeskanzler Werner Faymann die Fetzen geflogen sind.


•Doppelbelastung: Pühringer geht jedenfalls mit einem vollen Rucksack an ungelösten Problemen an seine Zusatzaufgabe. Schließlich muss er bis zum 27.September noch einen Landtagswahlkampf schlagen, um den in Umfragen prognostizierten deutlichen Absturz der ÖVP in Oberösterreich von 46,8 auf unter 40 Prozent zu verhindern. Pühringer knüpfte daher an Pröll an und feixte: „Ich bin jetzt in der Komfortsituation, dass ich mir die Strafverschärfung aussuchen kann.“ Nämlich Vorsitz bei den Landeshauptleuten und Wahl.


•Quartiere für Asylwerber: Niederösterreichs Landeshauptmann verwies in seiner Bilanz über das erste Halbjahr 2015 darauf, dass ursprünglich für Österreich 30.000 Asylanträge prognostiziert worden wären, nun würde bis Jahresende mit 80.000 gerechnet. Mit einem Seitenhieb auf den Bund und vor allem auf Faymann ergänzte er, welche Anstrengungen die Länder bei der Quartiersuche unternommen hätten: Die Länder hätten heuer 7800 Quartiere aufgetrieben, der Bund 1800. „Es steht dem Bund, auch dem Herrn Bundeskanzler gut an, das auch anzuerkennen“, assistierte Pühringer. Dieser bekräftigte: Die Zelte müssten bis Ende Juli weg, es müsste Alternativen geben.


•Konflikt mit Faymann: Beide ÖVP-Landeshauptmänner nahmen den Regierungschefs ins Gebet, auf EU-Ebene und vor allem auch bilateral mit Österreichs Nachbarstaaten Gespräche zu einem Ergebnis zu bringen, damit es zu einer Neuverteilung der Flüchtlinge kommt, „weil sonst die Republik in dieser Frage überfordert wäre“ (Pröll). Besonders gilt das für Tschechien, das zwar 250bis 300 Asylwerber mehr aufnehmen wolle. Das sei „ja herzig und nett“, sagte der oberösterreichische Landeschef und meinte in Richtung SPÖ-Chef Faymann: „Da kann sich die Sozialistische Internationale bewähren.“ Schließlich sie Tschechiens Präsident, Milos Zeman, „ein Roter“ wie auch Premier Bohuslav Sobotka. Ob er Faymann für überfordert halte? „Puuh, jetzt überfordern Sie mich“, antwortete Pröll, ein solches Urteil stehe ihm nicht zu: „Ich bin weit davon entfernt, den Oberlehrer der Nation spielen zu wollen.“ Aber in der SPÖ gebe es dazu offensichtlich unterschiedliche Meinungen.


•Finanzausgleich: Die Aufteilung der Steuereinnahmen (Finanzausgleich) muss bis Ende 2016 neu geregelt werden. Tatsächlich wird es dabei erst nach der Wien-Wahl heuer am 11.Oktober ernst werden. Die Landeschefs fordern, dass es beim Aufteilungsschüssel bleiben muss: 67 Prozent der Steuereinnahmen für den Bund, 22 Prozent für die Länder, elf Prozent für die Gemeinden. Die Länder sehen sich durch zusätzliche Aufgaben („grauer“ Finanzausgleich) bei der Aufteilung mit derzeit rund 21 Prozent etwas benachteiligt. Stärkere Belastungen lehnen sie ab.


•Pflege: Die Länder machen den neuen Finanzausgleich davon abhängig, dass auch Spitals- und Pflegefinanzierung gleichzeitig geregelt werden. Mehr noch: Pühringer stellte so deutlich wie bisher noch nie die Bedingung, dass der Pflegefonds, in dem der Bund steigende Pflegekosten vorerst bis 2018 trägt, bis 2020 verlängert werde – mit einer höheren Dotierung. „Ohne Pflege wird's keinen Abschluss geben“, stellte der neue Vorsitzende der Landeshauptleute klar.


•Schule: In Linz unerwähnt blieb, dass eine Bund-Länder-Runde Lösung für eine Schulreform und die Neuregelung der Kompetenzen sucht. Die Frist endet heuer am 17.November.


•Kompetenzen: Mitte Juli findet in Wien die 70-Jahr-Feier der Konferenz der Landeshauptleute statt. Die Landeschefs dürften den Anlass zu einem machtbewussten Auftritt nützen. „Wir stehen für einen modernen Föderalismus, nicht für Kantönligeist“, versicherte Pühringer in Linz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2015)

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