Pühringer: "Nicht jeder, der Angst hat, ist ein rechter Recke"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Oberösterreichs Landeschef Pühringer kündigt weitere öffentliche Asylquartiere an. Schulkompetenzen teilen oder Reformverzicht, sagt er.

Die Presse: Sie sind nun einen Tag Vorsitzender der Landeshauptleute-Konferenz und schon gibt es eine kalte Dusche: Pröll und Niessl steigen bei der Schulreformkommission aus.

Josef Pühringer: Offensichtlich liegt ein Reformunwille der zuständigen Ministerin vor. Da wollten die beiden einfach ein Zeichen setzen. Eine Schulverwaltungsreform ist erforderlich – bei so viel Parallelverwaltung. Die Länder sind bereit, die Schulverwaltung zu übernehmen, und können dies zu günstigeren Konditionen als derzeit erledigen.

Steigen die Länder ganz aus?

Man soll niemals nie sagen. Entweder es gibt eine ordentliche Reform, oder man soll es sein lassen. Dann fallen dauerhaft erhöhte Kosten für die Steuerzahler an.

Was heißt ordentliche Reform?

Das heißt, die Kompetenzen werden klar getrennt. Alles zur Einheitlichkeit des Schulsystems soll beim Bund sein – Lehrerausbildung, Lehrpläne, Grundsatzgesetze, Konkordatsfragen. Finanzierung, Organisation und Personalwesen können auf Landesebene, weil sie näher an der Schule ist, sicher besser gemacht werden. Eine Alibireform tragen wir nicht mit. Dann wird sich wieder einmal nichts ändern.

Soll Vizekanzler Mitterlehner darauf drängen, dass Ministerin Heinisch-Hosek als Verhandlerin ausgewechselt wird?

Ich bin nicht der Oberlehrer der Bundespolitik. Es soll ein Umfeld hergestellt werden, in dem zielorientiert gehandelt werden kann.

Das Ganze bestätigt doch, dass zwischen Bund und Ländern nichts weitergeht.

So kann man es nicht sehen. Wenn es Österreich beim Asylwesen im Wesentlichen schafft, den nie erwarteten Zustrom der Flüchtlinge unterzubringen, gelingt das nur, weil die Länder bereit sind, mit dem Bund zusammenzuarbeiten. Denn es muss gesagt werden: Flüchtlingswesen ist Bundessache.

Die Bevölkerung hat aber den Eindruck – bei Asyl wie Schule –, dass die Spitzenpolitiker unfähig sind, Probleme zu lösen.

Das bedauere ich, weil es nicht den Tatsachen entspricht. Es geht viel durch die Zusammenarbeit von Bund und Ländern weiter, allein in den letzten Jahren beim Stabilitätspakt, bei Landesverwaltungsgerichtsbarkeit oder Gesundheitsreform. Ich bedaure sehr, dass bei der Bildungsreform seitens der Ministerin offensichtlich blockiert wird.

Aber selbst innerhalb von SPÖ und ÖVP klagen etliche, dass alles eine kostenlose Wahlhilfe für die Strache-FPÖ sei.

Das bedauere ich zutiefst, etwa, dass es durch Provokationen des Bundeskanzlers beim Asylgipfel zu einem solchen Bild der Politik gekommen ist. Jetzt ist entscheidend, dass man sich zusammensetzt, dass man regiert und Probleme der Menschen löst. Ich werde als Vorsitzender der Landeshauptleute -Konferenz meinen Beitrag dazu leisten.

Stichwort Asyl: Sie haben bekräftigt, die Zelte müssten spätestens bis Ende Juli weg. Was passiert, wenn das nicht gelingt?

Wir werden entsprechende Quartiere in Oberösterreich anbieten. Aber nur unter der Bedingung, dass die Zelte geräumt werden.

Reicht das?

Ich werde nochmals alle Bundesstellen, insbesondere den Bundeskanzler dazu auffordern, dass auf internationaler Ebene alles getan wird, damit es zu einer faireren Verteilung in Europa kommt. Wir können das bei dem Zustrom allein nicht lösen, wenn sich zwei Drittel der EU-Länder einfach zurücklehnen. Außerdem erregt das Unverständnis und Verärgerung bei der Bevölkerung.

Ärger ist reichlich vorhanden.

Wir müssen die Menschen ernst nehmen. Nicht jeder, der Angst hat, ist ein Rechter oder ein rechter Recke. Politik muss Sorgen und Ängste der Menschen ernst nehmen.

Die Leute verstehen nicht, warum Kasernen für Flüchtlinge nicht geöffnet wurden.

Das verstehe ich auch nicht, da gibt es zum Teil Probleme mit der Flächenwidmung. Ich bin nicht nur für die Öffnung der Kasernen, sondern auch von öffentlichen Gebäuden. Wir werden da in Oberösterreich einiges tun.

Der Linzer Bürgermeister Luger hat Turnsäle als Alternative angeboten.

Turnsäle sind nur eine Übergangslösung in den Ferien. Aber man muss wissen, man benötigt dann im September dauerhaft Plätze.

Zur Oberösterreich-Wahl: Laut Umfragen könnte die ÖVP unter 40 Prozent fallen. Haben Sie die erneute Kandidatur bereut?

Nein, denn ich bin keiner, der in schwierigen Situationen davonläuft. Sie haben bei den Wahlen im Burgenland und der Steiermark gesehen, dass das Flüchtlingsthema alles überlagert. Da gibt es nur eine Losung: Probleme lösen, Probleme lösen, Probleme lösen.

Die hohe Arbeitslosenrate bewegt die Menschen auch. Oberösterreich hat ein Konjunkturpaket geschnürt. Reicht das?

Länder können zur Beseitigung einer Delle in der Konjunktur immer nur einen begrenzten Beitrag leisten. Wir schaffen mit diesem Programm 11.000 Arbeitsplätze im Jahr.

Sie halten sich nach der Wahl alles offen. Warum gibt es keine schwarz-grüne Ansage nach zwölf Jahren Koalition?

Erst verteilt der Wähler die Gewichte, dann hat die Politik das Beste daraus zu machen. Außerdem heißt ein vorzeitiges Festlegen auf eine Koalition: Ihr könnt wählen, wie ihr wollt, wir tun sowieso, was wir wollen.

Gibt es eine Schmerzgrenze, bei der Sie nach Wahlverlusten sofort zurücktreten?

Ich stelle den Bürgern kein Ultimatum.

AUF EINEN BLICK

Josef Pühringer, 65, ist seit März 1995 Oberösterreichs Landeshauptmann. Der ÖVP-Politiker hat diesen Mittwoch turnusmäßig den Vorsitz in der Konferenz der Landeshauptleute von Niederösterreichs Erwin Pröll übernommen. Selten zuvor war ein Vorsitzwechsel wegen des Asyl- und des jüngsten Schulreformstreits von einer derartigen Bund-Länder-Missstimmung begleitet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2015)

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