Zu viel des Schwelgens im Tiroler Dialekt

FESTSPIELE REICHENAU: FOTOPROBE 'DER WEIBSTEUFEL'
FESTSPIELE REICHENAU: FOTOPROBE 'DER WEIBSTEUFEL'APA/ROBERT JAEGER
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Katharina Straßer begeistert zur Eröffnung der Festspiele Reichenau als Schönherrs "Weibsteufel".

Bernhard Schir hat zum Auftakt der Festspiele Reichenau Freitagabend Karl Schönherrs „Weibsteufel“ inszeniert. Die Geschichte vom Weib, das, um seine Liebe betrogen, zwei Männer in eine Falle lockt, hat Martin Kušej 2008 im Akademietheater herausgebracht – mit Birgit Minichmayr, Nicholas Ofczarek, Werner Wölbern.

Schirs Konzept ist ganz anders. Kušej zeigte kalte Getriebene, sprengte die Romantik. Schir stellt eine Liebestragödie vor, in der nicht Kalkül, sondern Emotionen herrschen, die ständig wechseln. Zu Beginn sieht man das lammfromme Frauchen seinem Männchen entgegeneilen und mit Küsschen und Wein Hochzeitstag feiern. Aus Gier legt der Gatte – der ein Vermögen mit Schmuggel verdient hat – sein Weib als Köder für die Polizei aus. Die Frau wittert gleich Gefahr für ihre Ehre und für ihre Seelenruhe – mit Recht.


Geld tötet Liebe. Katharina Straßer ist ein ähnlicher Typ wie Minichmayr, sexy mit Charakter, das schafft Konflikte. Hier freilich darf Straßer sprühen, vor Warmherzigkeit und Zorn, vor Kränkung, Berechnung, schließlich Resignation, wenn ihr angesichts der Sturheit der Männer nichts anderes übrig bleibt, als diese zu übertölpeln. Straßer ist ein Ereignis. Marcello de Nardo spielt den Ehemann, dessen Schwächlichkeit Schönherr allzu sehr vorführt, man denkt an die „Selektionen“, in die diese Art Darwinismus führte; das Stück wurde 1915 uraufgeführt. De Nardo zeigt erneut erstaunliche Verwandlungskunst, vom Industriellen in „Stützen der Gesellschaft“ (2013 in Reichenau zu sehen) zum hohläugigen Gespenst. Für seine Schöne empfindet dieser Mann große Zuneigung, er möchte sie gern verwöhnen.

Schir zeichnet den Grenzjäger als eine Mischung aus Macho und neuem nachdenklichen Mann, eine gewagte Umdeutung. Allen drei Figuren gemeinsam ist die Angst vor dem wirtschaftlichen Absturz – Geld spielt die heimliche Hauptrolle in diesem Drama. Peter Loidolt stattete den „Neuen Raum“ mit wenigen Möbeln aus. Die Truhe, die der Grenzjäger anfangs mit bloßer Faust durchschlägt, erscheint wie ein Symbol für das Zerbersten von Existenzen.

Einiges irritiert, am meisten, dass der Text teilweise unverständlich ist. Die zwei Tiroler, Schir und Straßer, können ihn auch keineswegs mehr so gut sprechen wie das bei den Tiroler Volksschauspielen in Telfs z. B. ein Burgschauspieler wie Walter Reyer (1922–1999), gebürtiger Tiroler, schaffte. Im Übrigen: Auch wenn es köstliche Parodien von Schönherrs Holzschnitttexten von Robert Neumann oder Alfred Polgar gibt, der Mann war wie Schnitzler Arzt und Psychologe, kein Mundartdichter. Immer wieder springt das Weib mit Bank und Sessel auf und ab oder bespringt den Grenzjäger. Figuren mit Ticks statt mit Facetten zu versehen, ist schlechtes Regietheater.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2015)

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