Heiß, heißer, Großstadt

Maja Zuvela-Aloise prognostiziert Wien eine heiße Zukunft. Trotz des Wassers des Donnerbrunnens ist der Neue Markt einer von Wiens Hitzepolen.
Maja Zuvela-Aloise prognostiziert Wien eine heiße Zukunft. Trotz des Wassers des Donnerbrunnens ist der Neue Markt einer von Wiens Hitzepolen.Die Presse
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Hitzeperioden erwärmen bebaute Gebiete besonders. In Wien sind Hitzeinseln an Sommertagen um bis zu neun Grad wärmer als der Stadtrand. Doch langfristig ist das erst der Anfang.

„Dunkles Glas ist das Schlimmste.“ Maja Zuvela-Aloise sieht sich um. Ihr Blick schweift über die Fassaden der Gebäude in der Wiener Innenstadt. Berufstätige und Touristen, die in der Mittagshitze vorbeikommen, nehmen die Häuserfronten am Neuen Markt im Eilschritt zum nächsten Termin entweder gar nicht wahr oder beurteilen sie bei ihrem Stadtbummel am ehesten nach ästhetischen Kriterien.

Zuvela-Aloise sieht in den Fassaden einen Teil unserer Zukunft. Materialien und Farben sind – mit vielen anderen Faktoren – mitverantwortlich für ein Phänomen, das Meteorologen wie sie als Urbane Hitzeinseln, kurz UHI, bezeichnen. Ein Phänomen, das in Zukunft Lebensqualität und Gesundheit von Städtern maßgeblich beeinflussen wird. Und dunkles Glas, da sind sich Experten einig, trägt wegen seiner hohen Absorptionsrate von Sonnenenergie (im negativen Sinn) besonders dazu bei.

Dabei möchte man meinen, dass es Schlimmeres gibt als heiße Sommertage. Lässt man Zuvela-Aloise jedoch von ihrer Forschung erzählen, sieht man die Zusammenhänge. Kaum jemand kennt Wiens Mikroklima der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft besser als die Mitarbeiterin der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Vereinfacht gesagt hat sie eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte lautet: Bewohner von Städten werden die Klimaerwärmung in vielerlei Hinsicht besonders zu spüren bekommen. Die gute: Es gibt einiges, was man dagegen tun kann.

Für den heutigen ersten Feriensonntag wurden für Wien 35 bis sogar 36 Grad Celsius erwartet. An einem Tag wie diesem zeigt sich, dass es in dicht bebauten Gebieten um bis zu neun Grad wärmer sein kann als am Stadtrand. Das ergaben ausgedehnte Messfahrten mit dem Fahrrad. Die Zahl der festen Messstationen in Wien ist nämlich bei Weitem nicht so hoch, als dass man über jedes Grätzel der Stadt genau Bescheid wüsste. In einem gemeinsamen Projekt mit dem Rathaus wurde untersucht, warum es an bestimmten Stellen besonders heiß wird, wie sich die Situation in der Zukunft darstellt, und was man gegen unerwünschte Entwicklungen tun kann.

Mehr Sommertage für Wien. Besonders von Hitze betroffen ist die Innere Stadt. Wenig Vegetation, versiegelter Boden, dicht aneinander stehende Gebäude, wärmeabsorbierende Fassaden und verbaute statt begrünte Dächer sorgen dafür, dass sich das Zentrum während Hitzeperioden von Tag zu Tag mehr erwärmt. „Das geht so weit, dass die Wärmestrahlung nachts innerhalb der Häuserschluchten hin- und her reflektiert wird und sich die Region nicht mehr abkühlt.“ Der Effekt: In der City steigt das Thermometer durchschnittlich 72-mal im Jahr über die 25-Grad-Marke. Am Stadtrand gibt es Regionen, in denen das keine 30-mal passiert.

Mit dieser Situation konnten die Wiener bisher gut leben. In Zukunft kommen mehrere Faktoren zusammen. Mehr Bevölkerung, mehr Städtebau, weniger Grünflächen und die globale Klimaerwärmung. Gemeinsam mit ihren Mitarbeitern hat Zuvela-Aloise den Großrechner der ZAMG mit einer Vielzahl an Daten gefüttert, um zu errechnen, was das für das Wiener Mikroklima der Zukunft bedeutet. Die Modellrechnung ergab: Fast im gesamten bebauten Stadtgebiet ist für die Periode 2021 bis 2050 damit zu rechnen, dass die Zahl der Sommertage auf 90 bis 100 pro Jahr steigt (siehe Grafik). Das kann schwerwiegende Auswirkungen haben: Die Sterblichkeit unter alten und schwachen Menschen steigt bei Hitze deutlich, die Produktivität der Wirtschaft sinkt genauso wie das Wohlbefinden. Gleichzeitig steigen die Kosten für das Gesundheitssystem und – in den vergangenen Jahren bereits zu beobachten – der Energieverbrauch für die Klimatisierung von Gebäuden.

Dabei hat Wien noch Glück. Weil bei Schönwetter der Wind häufig aus Nordwest weht und die kühle Luft aus dem Wienerwald im Stadtgebiet verteilt, könnte es ohne den Grüngürtel noch viel schlimmer sein. Wird Wien zur mediterranen Metropole? Wachsen am Donaukanal bald die Palmen?

„Solche Vorhersagen sind seriös nicht zu machen“, sagt die 37-Jährige. Neben der Temperatur bestimmen nämlich noch andere Faktoren wie Luftfeuchtigkeit, Niederschlag oder Wind das Gesamtklima.

Die Stadt ist dieser Erwärmung – und nun zur guten Nachricht – jedoch nicht hilflos ausgeliefert. Wasser- und Grünflächen können Hitzeinseln lokal vorbeugen. In bereits bebauten Gebieten ist das aus Platzgründen jedoch nur selten eine Option. Aber: „Mit hellen Fassaden, begrünten Dächern und klug positionierter Beschattung kann man auch hier einiges bewirken.“ Voraussetzung dafür ist eine strategische Planung. Im Rathaus arbeitet man bereits daran.

Lexikon

Sommertag. Ein solcher liegt für Meteorologen vor, wenn die Tageshöchsttemperatur über 25 Grad Celsius steigt.

Hitzeinsel. Lokal begrenzter Ort, an dem die Temperatur bei gleicher Sonneneinstrahlung aus unterschiedlichen Gründen höher steigt als in der Umgebung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2015)

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