Woher bekommt Griechenland jetzt noch Geld?

Finance Minister Tsakalotos is welcomed by Eurogroup President Dijsselbloem and French Finance Minister Sapin at a euro zone finance ministers meeting on the situation in Greece in Brussels
Finance Minister Tsakalotos is welcomed by Eurogroup President Dijsselbloem and French Finance Minister Sapin at a euro zone finance ministers meeting on the situation in Greece in Brussels(c) REUTERS (YVES HERMAN)
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Athen benötigt Geld – doch so gut wie alle theoretisch vorhandenen Ressourcen scheinen außer Reichweite.

Brüssel. Wenn es in diesen Stunden, in denen es um das Schicksal Griechenlands und der Eurozone geht, eine Gewissheit gibt, dann lautet sie folgendermaßen: Das bis über beide Ohren verschuldete Land braucht Geld, und zwar rasch. Gestern Nachmittag war in den Brüsseler Couloirs von sieben Milliarden Euro die Rede, die die Links-rechts-Regierung von Premierminister Alexis Tsipras benötigt, um in den nächsten Tagen über die Runden zu kommen. Der Geldmangel betrifft einerseits die griechischen Bürger, die aufgrund der Kapitalverkehrskontrollen vor geschlossenen Bankfilialen und leeren Bankomaten stehen, andererseits aber auch den Staat selbst, der in den kommenden Tagen und Wochen Kredite tilgen muss. Vor der Machtübernahme durch Syriza wurde Griechenland ein primärer Budgetüberschuss (also ohne Berücksichtigung des Schuldendiensts) prognostiziert, durch die Krise dürfte dieses Ziel in weite Ferne gerückt sein – was bedeutet, dass der griechische Staat seine Ausgaben nach wie vor nicht aus eigener Kraft decken kann. Wie also könnte sich Griechenland finanzieren? Geldquellen sind zwar theoretisch vorhanden, in der Praxis aber schwer – bzw. gar nicht – zugänglich.

ESM. Der rund 500 Milliarden Euro schwere Rettungsschirm der Währungszone ist die primäre Anlaufstelle für ein drittes Hilfsprogramm für Griechenland. Die Krux: Ein derartiges Programm ist erstens an Spar- und Reformauflagen gebunden und zweitens von der Zustimmung der anderen Euro-Mitglieder abhängig. Dass die Lage derart eskaliert ist, hängt mit der Tatsache zusammen, dass Tsipras die Konditionen der Geldgeber nicht akzeptieren wollte. Was in der momentanen Lage gegen den ESM spricht, ist der Fristenlauf: Mehrere nationale Parlamente – darunter der Bundestag – müssten dafür stimmen. So viel Zeit bleibt Athen vermutlich nicht.

EZB. Rettung in letzter Sekunde könnte wohl nur von der Europäischen Zentralbank kommen – indem sie das Volumen der kurzfristigen Notfalls-Liquiditätshilfen (ELA) für die griechischen Banken anhebt bzw. die Institute wieder an die normale Geldversorgung anschließt. Die EZB kann allerdings nur helfen, wenn sie die griechischen Banken für solvent, aber illiquid hält. Das Problem: Die Banken haben vor allem griechische Staatsanleihen in ihren Büchern. Und ohne ein fixes Hilfsprogramm dürfte der griechische Staat für die EZB wohl oder übel als insolvent gelten – und mit ihm die griechischen Banken. Würde die EZB diesen Vorbehalt ignorieren, käme dies einem Bruch ihres Mandats gleich – der Zentralbank ist es nämlich untersagt, Euromitglieder direkt zu finanzieren. Hier beißt sich also die Katze in den Schwanz.

EU-Kommission. Die Brüsseler Behörde verfügt über zwei Geldquellen für Notfälle: Balance of Payment Assistance (BoP) und Makrofinanzhilfe. Der Haken: Das erste Finanzinstrument steht nur Euromitgliedern zur Verfügung, das zweite nur Ländern, die nicht zur EU gehören. Würde Griechenland aus der Eurozone fliegen, aber in der EU verbleiben, hätte es weder Anspruch auf BoP noch auf Makrohilfen.

IWF. Der Internationale Währungsfonds gilt seit jeher als Retter in letzter Not – und er hat auch Griechenland als Mitglied der Troika der internationalen Geldgeber (gemeinsam mit der EU und der EZB) mit gut 50 Milliarden Euro ausgeholfen. Seit die Regierung in Athen am 30.Juni die letzte IWF-Kreditrate nicht nach Washington überwiesen hat, sind dem Fonds allerdings die Hände gebunden.

Bilaterale Kredite. Sie sind immer eine Möglichkeit. Allerdings ist die Bereitschaft der Unionsmitglieder, den Griechen Geld zu leihen, derzeit enden wollend. Ob dies auch für Russland und China zutrifft, muss sich noch weisen.

Crowd Funding. Eine interessante Idee lancierte zuletzt Citibank-Chefvolkswirt Willem Buiter: Der ESM solle als „Investor“ gemeinsam mit anderen Geldgebern das griechische Bankensystem komplett übernehmen – die Institute wären dann nicht mehr von den Finanzproblemen des griechischen Staats abhängig. Der Nachteil dieser Operation: Sie würde de facto auf eine Privatisierung des Geldwesens in Griechenland hinauslaufen und den Staat von einer seiner zentralen Aufgaben entbinden. Griechenland wäre damit in die frühe Neuzeit zurückkatapultiert – in eine Zeit, in der es noch keine Zentralbanken gab. Dass der einstige Kommunist Tsipras einen derart radikalen Schritt wagt, ist zu bezweifeln.

Eigenmittel. Führt Athen die Drachme wieder ein, könnte das benötigte Geld einfach gedruckt werden. Griechenland wäre damit fürs Erste aus dem Schneider – aber auch aus der Eurozone. Und die Folgen des Grexit wären für weite Teile der Bevölkerung verheerend. Eine zweite, kaum weniger schmerzhafte Variante wäre die Teilenteignung der griechischen Kontoinhaber nach dem Vorbild Zyperns, das 2013 Spareinlagen über 100.000 Euro zur Rettung der Banken herangezogen hatte. Über einen derartigen Schritt wurde zuletzt auch in Athen spekuliert – mit einem entscheidenden Unterschied: Es soll um alle Ersparnisse über 8000 Euro gehen.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2015)

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