Asyl: Was der Deal mit Bratislava bedeutet

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Österreich bearbeitet die Asylverfahren, die Slowakei stellt Unterkünfte zur Verfügung: Mit einem Deal mit der Slowakei will das Innenressort die Lage in Traiskirchen entlasten – und auch Geld sparen.

Wien. Quoten auf EU-Ebene? Mit ihrer Forderung, Flüchtlinge auf alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union fair zu verteilen, ist Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bisher wenig erfolgreich.

Quoten innerhalb Österreichs? Hier herrscht ein ähnliches Bild: Denn nur zwei der neun Bundesländer nehmen so viele Flüchtlinge auf, wie tatsächlich vereinbart ist. Oder – siehe Wien – sogar um einige mehr. Nun scheinen sich aber auch die Kapazitäten des Innenressorts dem Ende zuzuneigen: Im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen schlafen hunderte Menschen unter freiem Himmel.

Mikl-Leitner versucht daher, das Problem mit bilateralen Abkommen zu entschärfen. Am Donnerstag einigte sie sich endgültig mit ihrem slowakischen Kollegen, Robert Kalinak: Das Nachbarland übernimmt 500 Flüchtlinge aus Österreich.

1 Wie sieht der Zeitplan für die Kooperation der beiden Länder aus?

Bereits in den kommenden Wochen und Monaten sollen alle 500 Asylwerber übersiedelt werden. Die ersten 50 Flüchtlinge übernimmt die Slowakei bereits in diesem Monat. Im August sollen dann weitere 200 folgen, die restlichen 250 sind im September an der Reihe. Insgesamt soll die Initiative zwei Jahre laufen. Wenn Österreich es brauche, könnten es aber auch drei oder vier Jahre werden, meinte der slowakische Innenminister. Die Verantwortung gibt Österreich aber nicht völlig ab: Gibt es am Ende des Asylverfahrens einen positiven Bescheid, werden die Flüchtlinge wieder nach Österreich geholt.

2 Welche Flüchtlinge kommen in die Slowakei – und wo sind sie genau untergebracht?

Die Flüchtlinge sollen aus dem überfüllten Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen in die Slowakei verlegt werden. Genauer werden sie in einem Universitätsgebäude im Ort Gabčíkovo untergebracht – 56 Kilometer von Bratislava entfernt. Zum Teil sei das Gebäude noch im Betrieb, heißt es aus dem Innenressort. Auf dem Areal gibt es auch Arbeiterwohnungen, Teile würden außerdem an Schulklassen und Studenten vermietet.

3 Wie sind Kosten und Kompetenzen zwischen Österreich und der Slowakei aufgeteilt?

Die Kooperation sei „unter dem Strich für Österreich billiger“, sagte Mikl-Leitner am Donnerstag. Wie viel sich Österreich im Detail erspart, könne man allerdings noch nicht beurteilen, heißt es aus ihrem Büro. Österreich werde jedenfalls einen privaten Sicherheitsdienst engagieren. Außerdem stellt das Innenressort Hygienepakete und eine bestimmte Anzahl von Sozialarbeitern zur Verfügung. Die Reinigung der Zimmer sollen die Asylwerber selbst übernehmen. Die Slowakei kümmert sich wiederum um Unterbringung und Verpflegung. Das Verfahren selbst läuft ohnehin weiter in Österreich.

4 Wieso eigentlich ausgerechnet eine Kooperation mit der Slowakei?

Ein solches bilaterales Abkommen sei schon länger im Gespräch gewesen, heißt es aus dem Innenressort. Die Ministerin habe allgemein den Kontakt zu Nachbarstaaten gesucht – mit der Slowakei habe man sich nun eben einigen können. Das Land selbst hat sich bisher bei der Lösung der Asylfrage nicht besonders engagiert gezeigt.

5 Welche Reaktionen gibt es auf diese Zusammenarbeit?

Amnesty-Generalsekretär Heinz Patzelt empfindet angesichts des Plans „angewidertes Entsetzen“. Die Asylkoordination ortet juristische Probleme: Asylwerber, deren Asylverfahren in Österreich bearbeitet werden, die aber in der Slowakei untergebracht werden, würden sich illegal in dem Land aufhalten. Das europäische Asylbüro EASO widerspricht: Bei bilateralen Abkommen gebe es die Möglichkeit, dieses Verbot zu umgehen. Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) in Österreich spricht sich prinzipiell für die Aktion aus: „Angesichts dessen, dass die Menschen in Traiskirchen auf dem Boden schlafen, ist dies ein positiver Schritt.“

6 Plant das Innenministerium noch weitere bilaterale Abkommen?

Hier hält sich das Büro von Mikl-Leitner bedeckt: „Wir wollen nicht vorgreifen, aber es ist sicher ein Weg, den wir weitergehen möchten.“ Man kann also davon ausgehen, dass schon Gespräche geführt werden.

7 Wie geht es mit den Flüchtlingen hier in Österreich weiter?

Innerhalb des Landes wird noch fieberhaft nach Quartieren gesucht. Bis Ende Juni sollen die Bundesländer 6500 Plätze schaffen. Die Meldungen aus den Ländern trudeln langsam beim Innenressort ein. „Darunter befinden sich auch Containerstandorte“, heißt es aus dem Innenressort. Bis 31. 7. sollen in Oberösterreich alle Zelte abgebaut sein.

Verteilung Asylwerber

Verteilung der Asylwerber in den Gemeinden laut ZiB/ORF-Datenerhebung zwischen 10. und 18. Juni.

https://asylwerberin.cartodb.com/viz/9a07ff60-144e-11e5-8d64-0e018d66dc29/public_map

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2015)

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