In der Republik des Stillstands

MINISTERRAT: PRESSEFOYER
MINISTERRAT: PRESSEFOYER(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
  • Drucken

Bei Lösungen in wichtigen Fragen kommen SPÖ und ÖVP nicht voran. Für den Herbst stapeln sich die Probleme.

Wien. In der soeben zu Ende gehenden Woche herrschte vor der Sommerpause für die Bundespolitiker im Nationalrat noch einmal erhöhte Betriebsamkeit. Diesmal türmten sich auf den Bänken der Nationalratsabgeordneten besonders umfangreiche Gesetzespakete, die beschlossen wurden: das Konvolut an Gesetzen für die Steuerreform; das Maßnahmenbündel im Kampf gegen Sozialbetrug, die brisante Strafrechtsreform,... Im Juli folgt noch der Bundesratssanktus.

Der erhöhte Arbeitsaufwand im Hohen Haus verdrängt aber, dass die Regierung bei wichtigen Themen auf der Stelle tritt. Das gilt für die Schulreform, für die sich die Regierungsparteien mit den Bundesländern von vornherein bis 17. November Zeit eingeräumt haben. Bei der Unterbringung von Asylwerbern hinken die Politiker dem zunehmenden Ansturm ständig hinterher. Änderungen auf dem Arbeitsmarkt wurden nun ebenfalls auf September verschoben.


•Flüchtlingspolitik. Die nächste Frist rückt näher: Mit 20. Juli kommt die Umstellung auf die neuen Verteilzentren für Asylwerber in den Bundesländern zum Tragen. Davon verspricht sich zumindest Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) Verbesserungen – allerdings waren bis zuletzt die Zentren noch immer nicht in allen Ländern fix (Berichte zur Suche nach Quartieren, siehe S. 8, 9).

•Schulreform: Nach dem Ausstieg der Landeshauptleute Erwin Pröll (Niederösterreich, ÖVP) und Hans Niessl (Burgenland, SPÖ) aus der Bund-Länder-Reformkommission ist besonders die rote Regierungsseite um Signale bemüht, dass dies nichts an der Vorlage der Schulreformpläne bis zum in der Koalition vereinbarten Termin, dem 17. November, ändere. Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) wollte noch vor der politischen Sommerpause zu weiteren Beratungen einladen. Vizekanzler ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner möchte keinesfalls, dass seine Partei als Blockierer dasteht, und hat daher zuletzt den Tiroler Landeshauptmann, Günther Platter, statt Prölls in die Arbeitsgruppe nachnominiert. Offen bleibt aber die Frage, welche Fortschritte die Vorschläge der Bund-Länder-Gruppe tatsächlich für Schulen, Schüler, Lehrer und Eltern bringen werden.

•Arbeitslosenrate: Seit Wochen schwelt zwischen Wirtschaftsminister Mitterlehner und Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) ein Konflikt, welche Maßnahmen gesetzt werden sollen. Das gemeinsame Ziel: die Arbeitslosigkeit, die in Österreich mit beinahe 400.000 als beschäftigungslos gemeldeten Menschen im Sommer eine Rekordhöhe erreicht hat, zu senken. Inzwischen ist aber ein ursprünglich für Juni vorgesehener Arbeitsmarktgipfel bereits zweimal verschoben worden, zuerst auf Juli und nunmehr von Hundstorfer auf September.

Kämpfe hinter den Kulissen

Grund sind Auseinandersetzungen hinter den Kulissen, auch zwischen den Sozialpartnern: Die von Mitterlehners ÖVP gewünschten Maßnahmen, um speziell Langzeitarbeitslose stärker zur Rückkehr in den Beruf zu drängen, werden auf SPÖ-Seite nicht goutiert. Umgekehrt ist Hundstorfer in der Doppelmühle: Die Belegschaft des Arbeitsmarktservice (AMS) hat, unterstützt von Gewerkschaft und Arbeiterkammer, demonstriert und verlangt mehr Geld zur Verringerung der Arbeitslosigkeit. Hundstorfer hat zwar mehr Mittel für ältere Arbeitnehmer zur Verfügung, bekommt aber von der ÖVP kein grünes Licht für die AMS-Wünsche.


•Budget 2016: Das mediale Hauptaugenmerk auf die Asylprobleme hat für die Regierung ein Gutes. Die bis Mitte Oktober fällige Erstellung des Budgets durch Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) wurde davon in den Hintergrund gedrängt. Zwar haben SPÖ und ÖVP bereits den Finanzpfad bis 2019 festgelegt. Allerdings ist die mühsame Kleinarbeit, in den einzelnen Ressorts die Einsparungen zu fixieren und damit innerhalb der budgetären Leitpflöcke zu bleiben, erst zu erledigen. In Koalitionskreisen heißt es einmal mehr, dies werde besonders für Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek schwierig. Erschwerend kommt hinzu, dass die Arbeit der Bundesregierung unmittelbar nach der Sommerpause von den Landtagswahlen in Oberösterreich am 27. September und von der Wien-Wahl am 11. Oktober überschattet wird – was die Sache für Bundeskanzler Werner Faymann und Rudolf Mitterlehner nicht einfacher macht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Nationalrat zieht Bilanz: 303 Stunden, 123 Gesetze
Politik

Nationalrat zieht Bilanz: 303 Stunden, 123 Gesetze

Im abgelaufenen Parlamentsjahr gab es 48 Sitzungen. 30,9 Prozent der Gesetzesbeschlüsse fielen einstimmig.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.