Zwischen Überforderung und (wenig) Taktik

PRESSEKONFERENZ - LANDESREFERENTENTREFFEN ZUM THEMA ASYL: MIKL-LEITNER
PRESSEKONFERENZ - LANDESREFERENTENTREFFEN ZUM THEMA ASYL: MIKL-LEITNERAPA/HERBERT P. OCZERET
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Der Fokus auf Dublin-Fälle, die Flüchtlingsunterbringung in Zelten – und zuletzt der Deal mit der Slowakei: Innenministerin Mikl-Leitner kommt mit dem Thema Asyl nicht zurande.

In einer Woche soll alles anders sein. Zumindest in der Theorie. Der 20. Juli ist nämlich der Stichtag, an dem die Verteilerzentren stehen sollen. Diese neuen Quartiere, sieben Stück an der Zahl, braucht Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) für ihre Asylreform.

Und sie braucht sie ziemlich dringend. Seit Monaten ist die Ministerin nur mit einem Thema beschäftigt: der Unterbringung von Asylwerbern. In den Gemeinden, bei den Landeshauptleuten und auf EU-Ebene ruft sie regelmäßig zu Unterstützung auf.

Ab dem 20. Juli soll also die Erstversorgung der Flüchtlinge – bzw. die Prüfung ihres Asylantrags – nicht mehr in den beiden überfüllten Erstaufnahmezentren in Thalham und Traiskirchen stattfinden. Sondern eben in kleineren Zentren, auf ganz Österreich verteilt.

Bis Ende des Monats sollen dann auch die Zelte in Oberösterreich abgebaut sein. Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) kündigte an, in Zukunft genügend feste Quartiere zur Verfügung zu stellen.


1200 ohne Bett. Doch das größte Problem werden einige zusätzliche Plätze und die Verteilerzentren wohl nicht lösen: den akuten Mangel an langfristigen fixen Quartieren in beinahe allen Bundesländern. Bund, Länder und Gemeinde können sich seit Monaten nicht auf eine faire Verteilung der Asylwerber einigen.

Dass Österreich mit der Anzahl an Menschen, die um Asyl ansuchen, derzeit überfordert ist, zeigen aktuelle Zahlen: Mehr als 1000 Menschen übernachten in Zelten. Und in Traiskirchen haben 1200 Flüchtlinge nicht einmal ein Bett, in dem sie schlafen können.Außerdem werden wohl die Verfahren in Zukunft länger dauern. Innenministerin Mikl-Leitner kündigte das jedenfalls vor Wochen an. Die Behörden sollen sich auf sogenannte Dublin-Fälle konzentrieren. Also jene Flüchtlinge, die über ein anderes EU-Land nach Österreich kommen – und dorthin zurückgeschickt werden können.

Doch ist Österreich tatsächlich mit den 41.000 Menschen, die sich derzeit in Grundversorgung befinden, überfordert? Nein, meinen Beobachter. Hinter den Entscheidungen der Ministerin stecke auch eine gewisse Taktik, hört man immer wieder: Man wolle Österreich für Flüchtlinge unattraktiv machen. Außerdem wolle sie mit längeren Verfahren auch den Druck auf die EU erhöhen und aufzeigen, dass nun auch andere Länder am Zug seien.

Letzteres gab die Ministerin auch offen zu. Der „Asylexpress Österreich“ müsse gestoppt werden. Andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union würden schließlich um einiges länger für die Bearbeitung von Anträgen brauchen, argumentierte sie. Erfolgreich war die Taktik allerdings nicht. Bei der Umsetzung einer EU-weiten Quotenregelung kamen sich die Partner auf europäischer Ebene nicht wirklich näher.

Allerdings merkte die Ministerin auch an: Es gehe in Österreich derzeit nicht anders. Die Behörden hätten nicht mehr Personal. Da müsse man eben Prioritäten setzen.


Weitblick fehlt. „Über die Taktik sind wir weit hinaus“, meint ein langjähriger ÖVP-Kenner. Die Politik sei mit der Lage schlicht überfordert. Das sei allerdings nicht die alleinige Schuld der Ministerin. „So eine Situation kann man nicht allein lösen.“ Vor allem, weil Innenministerin Mikl-Leitner auf die Mithilfe von Ländern und Gemeinden angewiesen sei. Sie müssten die Quartiere zur Verfügung stellen. „Die Bürgermeister aus ihrer eigenen Partei, aber auch die Landeshauptleute lassen sie im Regen stehen – die Regierungsspitze sowieso.“

Ein anderer erfahrener Beobachter ortet auch wenig Taktik – und viel Machtlosigkeit. „Was fehlt, ist der Weitblick – wie viele Quartiere brauche ich in den kommenden Monaten?“ Dafür müssten sämtliche Ebenen zusammenarbeiten. Fazit: „Strategie ist das keine – sondern totales Systemversagen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2015)

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