Asyl: Fischer auf Faymanns Seite

(c) ORF (Milenko Badzic)
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Bundespräsident Heinz Fischer kritisiert die Umgangsformen in der Regierung, fordert gerechtere Verteilung der Flüchtlinge und sähe im Grexit einen Imageverlust der EU.

Wien. Bundespräsident Heinz Fischer läutete am Sonntag traditionell mit der letzten ORF-„Pressestunde“ dieser Saison die politischen Sommerferien ein – und sparte nicht mit Kritik an der Bundesregierung in der Asylfrage, fand sogar selten deutliche Worte.

Er finde es absolut „unnötig“, wenn der Vizekanzler oder VP-Klubchef den Kanzler öffentlich „angehe“ oder nun umgekehrt der SP-Klubchef die Innenministerin. Man mache sich so etwas außerhalb der Öffentlichkeit aus und lasse sich nicht irgendetwas via Medien ausrichten. Die streitenden Politiker hätten alle voneinander Telefonnummern, sagte Heinz Fischer.

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hatte Kanzler Werner Faymann (SPÖ) vor wenigen Tagen vorgeworfen, Politik nur über die „Kronen-Zeitung“ zu machen, und seine Kanzlerfähigkeit infrage gestellt. Dazu griff ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka den Bundeskanzler vergangene Woche in der Parlamentsdebatte an. Die Revanche kam prompt: SP-Klubchef Andreas Schieder kritisierte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner via „Presse am Sonntag“ für ihre Asylpolitik, sagte, er sei damit, wie sie verhandle und handle, nicht zufrieden. Die VP zeigte sich ungehalten. Schieders Rundumschläge und Beschimpfungen hätten noch kein einziges Quartier geschaffen, derartige Äußerungen seien „letztklassig und kontraproduktiv“, so VP-Generalsekretär Gernot Blümel am Sonntag. Fischer mahnte die Regierung, ihre Kraft zur Problemlösung zu nützen. „Sonst wird sie bei der nächsten Wahl nicht reüssieren.“

In der Frage der Quartiersuche sprach sich der Bundespräsident für Bezirksquoten aus – ein Vorschlag von Bundeskanzler Faymann. „Es braucht eine gerechtere Verteilung“, sagte er. Eine Bezirksquote würde er der Gemeindequote vorziehen, weil sie mehr Handlungsspielräume lasse. Faymann war mit seinem Wunsch zuletzt bei einer Verhandlung mit den Landeshauptleuten Ende Juni gescheitert, weil sich die Regierungsspitzen der ÖVP-dominierten Bundesländer dagegen aussprachen. Es wurde aber vereinbart, bis Ende Juli 6500 Plätze zu schaffen.

Obwohl Fischer klarstellt, dass die Zustände in Traiskirchen untragbar seien, nimmt er die Innenministerin vor der Kritik Schieders in Schutz. Es gebe auf allen Seiten Bemühungen, Plätze zu schaffen, es sei aber ein „Wettlauf mit der Zeit“, weil jeden Tag immer mehr Menschen kämen – derzeit gibt es rund 300 neue Asylanträge pro Tag. Darum begrüße er auch das bilaterale Abkommen mit der Slowakei, 500 Flüchtlingen aus Österreich eine Unterkunft zu bieten. „Einem Flüchtling ist es egal, ob er hier oder 30 Kilometer weiter weg ist, er will ein Dach über dem Kopf.“ Er selbst werde sich bei einem Besuch für diese Möglichkeit bedanken.

Fischer wurde vergangene Woche bei der Eröffnung des Carinthischen Sommers von einer Gruppe Demonstranten empfangen, die gegen das geplante Erstaufnahmezentrum in Ossiach aufbegehrten. Er versicherte einmal mehr, dass er die Sorgen der Bevölkerung ernst nehme. „70.000 Flüchtlinge pro Jahr, das ist fast ein Prozent der Österreichischen Bevölkerung. Das ist eine Belastung.“ Er gab aber auch zu bedenken, dass man derartige Sorgen in Relation dazu setzen müsse, dass „hier Menschen ums nackte Überleben rennen“.

Grexit wäre Imageverlust

Was den Verbleib Griechenlands in der Eurozone angeht, ist Fischer wenig zuversichtlich: „Die Chancen sind aus meiner Sicht nicht über 50 Prozent.“ Bezugnehmend auf ein morgendliches Gespräch mit Kanzler Faymann glaube er aber, dass Österreich für den Verbleib Griechenlands sei. Er sehe auch einen großen Imageverlust für die EU im Fall eines Grexits. Das, was die griechische Regierung bisher an Vorschlägen vorgebracht habe, könne man so nicht annehmen. Fischer kritisierte die griechische Führung für ihre „unglückseligen Manöver“ wie die „überfallsartige Volksbefragung“. Man habe in der Vergangenheit unnötig viel Zeit verstreichen lassen: „Jetzt steht es Spitz auf Knopf.“ Jede Stunde sei für die Verhandlungen kostbar. (ath)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2015)

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