Studie: Lohnsenkung soll Älteren Jobs sichern

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In Österreich haben 55- bis 59-Jährige im EU-Schnitt deutlich höhere Bezüge als Gleichaltrige. Experten sind für das Abgehen von Gehältern nach Beschäftigungsdauer, damit Ältere nicht so rasch arbeitslos werden.

Wien. Bei älteren Menschen ist die Arbeitslosenrate in Österreich besonders hoch. Fast jeder Vierte der Ende Juni beinahe 400.000 offiziell arbeitslos gemeldeten Personen ist älter als 50 Jahre. Um gegenzusteuern, schlagen die Pensionsexperten des Wirtschaftsinstituts Agenda Austria in einer neuen Studie, die der „Presse“ vorliegt, mehrere Änderungen vor. Diese Empfehlungen haben es in sich: So wird nicht nur ein Abgehen vom sogenannten Senioritätsprinzip, wonach der Lohn mit dem Alter und der Dauer der Beschäftigung steigt, auf ein Leistungsprinzip, das sich an der Produktivität orientiert, angeregt. Es wird ganz konkret eine Verringerung des Lohns älterer Arbeitnehmer empfohlen, weil sonst die Alternative Entlassung laute.

Für die drei Autoren der Studie „Jung, älter, arbeitslos?“, Michael Christl, Dénes Kucsera und Hanno Lorenz von Agenda Austria, war der Ausgangspunkt der Untersuchung, dass ältere Arbeitnehmer in Österreich nach einer Kündigung schwer einen neuen Arbeitsplatz finden. Sie haben dazu auf gut 50 Seiten einen Vergleich mit anderen EU-Staaten angestellt. Dabei kommen sie zu dem Schluss, dass einige „Fallen“, die älteren Arbeitnehmern in Österreich gestellt werden, beseitigt werden müssten. Die Vorschläge:


Kleinere Kluft bei Löhnen: Negative Folgen und einen Verdrängungswettbewerb auf dem Arbeitsmarkt erwarten die Wirtschaftsforscher dadurch nicht. Obwohl seit Anfang der 2000er-Jahre schon deutlich mehr ältere Menschen arbeiteten, habe sich die Jugendarbeitslosigkeit praktisch kaum verändert. Ein Problem seien ganz besonders die im Vergleich hohen Lohnkosten und Löhne gegen Ende des Erwerbslebens in Österreich. Für die Studie wurde die Entwicklung der Löhne und Gehälter von 25- bis 29-Jährigen und von 55- bis 59-Jährigen verglichen. Ergebnis: Im EU-Durchschnitt verdient ein Arbeitnehmer im Alter von 55 bis 59 Jahren um 35 Prozent brutto mehr als ein 25- bis 29-Jähriger. In Österreich ist die Kluft deutlich größer: Sie liegt bei 58 Prozent (siehe auch Grafik). In den Niederlanden werde die große Kluft durch andere Maßnahmen ausgeglichen, wird in der Studie festgehalten.


Flachere Lohnkurve: Die Autoren ziehen daraus den Schluss, dass das Gehalt in Österreich mit steigendem Alter weniger stark automatisch steigen sollte als bisher. Das sei möglich, ohne das Lebensnettoeinkommen zu verringern. In der Mitte des Erwerbslebens sollten höhere Bezüge bezahlt werden, womit zugleich der Devise des Leistungs- statt des sogenannten Senioritätsprinzips nachgekommen werde. Eines der Ergebnisse der Studienautoren dazu: Je geringer das Senioritätsprinzip in einem Wirtschaftszweig ausgeprägt ist, „desto häufiger findet ein Beschäftigter eine Anstellung“. Eine Person im Alter von 55 bis 64 Jahren finde bei einem 1,5-fach höheren Lohn mit einer Wahrscheinlichkeit von 47 Prozent einen Job. Bei einem doppelt so hohen Lohn sinke die Wahrscheinlichkeit auf 25 Prozent.

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Vorreiter öffentlicher Dienst: Eine der Empfehlungen hat Sprengkraft und Aktualität zugleich: Das jetzige Senioritätsprinzip solle zuerst im öffentlichen Dienst aufgegeben werden. Damit rennen die Experten bei der Beamtengewerkschaft mit ihrem Vorsitzenden Fritz Neugebauer offene Türen ein. Diese fordert seit Jahren ein neues Gehaltsschema mit höheren Einstiegsbezügen und einer später flacheren Gehaltskurve. Die Regierung hat dies wegen Mehrkosten bis zu 200 Millionen Euro in der Start- und Umstellungsphase bisher abgeschmettert. In der Studie wird einmal mehr auf Schweden verwiesen, das in den 1990er-Jahren eine solche Umstellung im öffentlichen Dienst vorgenommen hat. Schweden gilt wegen der hohen Beschäftigtenrate bei Älteren für Österreichs Regierung als Vorbild.


Weniger Lohn statt Entlassung: Agenda Austria rät dazu, die Lohnentwicklung künftig verstärkt an die Leistung und Produktivität anzubinden. Daher sollte es vermehrt erlaubt werden, abseits der schon bisher möglichen Änderungskündigungen den Lohn eines (älteren) Arbeitnehmers zu verringern. Dadurch könnten ältere Arbeitnehmer dann auch leichter einen Arbeitsplatz finden.


Kündigungsschutz lockern: Die Autoren rühren noch an einem weiteren Tabu. Der höhere Kündigungsschutz für Ältere sei „gut gemeint, aber letzten Endes kontraproduktiv“. Unternehmen würden nach der Umstellung versuchen, erfahrene Mitarbeiter zu halten oder anzustellen, „wenn sie sich im Fall des Falles auch wieder von ihnen trennen können“. Es müssten aber die Arbeitskosten für diese Altersgruppe niedriger sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2015)

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