Asyl: „Eine herausfordernde Zeit für Integration“

PK ´INTEGRATIONSBERICHT 2015´: KURZ/MARIK-LEBECK
PK ´INTEGRATIONSBERICHT 2015´: KURZ/MARIK-LEBECK(c) APA/DRAGAN TATIC (DRAGAN TATIC)
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Die steigende Zahl an Flüchtlingen beschäftigt nun auch Minister Kurz. Sein Expertenrat empfiehlt „Vorbereitungsklassen“.

Wien. Eine Zeit lang war es eine Art ungeschriebenes Gesetz: Für Asylfragen war das Innenministerium zuständig, also Ministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Um das Thema Integration kümmerte sich wiederum das 2011 eigens geschaffene Staatssekretariat – in Person von Sebastian Kurz.

Nun, im Jahr 2015, ist Kurz selbst längst zum Minister aufgestiegen. Die Integrationsagenden nahm er mit, Europa und Äußeres bekam er dazu. Und langsam schwappt auch der Asylbereich, zumindest zum Teil, in seinen Kompetenzbereich rüber.

Im Vorjahr wurden schließlich so viele Asylanträge wie schon lange nicht mehr gestellt: 28.064 Menschen suchten um Asyl an. Gleichzeitig stieg auch die Zahl an anerkannten Flüchtlingen. 9038 Menschen bekamen 2014 einen positiven Asylbescheid. Für dieses Jahr wird wiederum mit bis zu 80.000 Flüchtlingen und 30.000 positiven Asylbescheiden gerechnet. Ab diesem Zeitpunkt sollen sie in Österreich ein selbstständiges Leben führen – und im Idealfall sich auch rasch integrieren.

Angesichts des IS-Terrors, der Anschläge in Europa und der steigenden Zahl an Flüchtlingen ist es also laut Kurz eine „herausfordernde Zeit für die Integration“. Daher legte er den Fokus des Integrationsberichts, den der Minister jährlich gemeinsam mit seinem Expertenrat herausgibt, dieses Mal erstmals auch auf das Thema Asyl.

„Ich werde hartnäckig sein“

Das Ergebnis ist ein Bündel an Empfehlungen, das die Experten an die heimische Politik weitergeben. Unter anderem sollten nach Meinung der Experten eigene „Vorbereitungsklassen“ eingeführt werden, in denen quereinsteigende Schüler unterrichtet werden. Die SPÖ hatte sich in der Vergangenheit gegen eine Trennung gewehrt. Kurz zeigte sich am Donnerstag aber zuversichtlich, den Koalitionspartner überzeugen zu können. Dies sei nur eine Frage der Zeit. Es gehe nicht ums „Ausgrenzen, sondern Vorbereiten“: „Ich werde hartnäckig sein.“ Umso mehr begrüßte der Minister daher die Initiative der Stadt Wien, eigens für Flüchtlingskinder Klassen mit Fokus auf dem Deutschunterricht einzuführen, wie „Die Presse“ exklusiv berichtete. Allerdings müsse man österreichweit die Sprachkurse ausbauen, meint der Minister. „Wir haben bereits 7000 zusätzliche Kurse geschaffen, bald sollen 10.000 weitere Kurse gestartet werden.“

(C) DiePresse

Ein weiterer Fokus soll auf ehrenamtliche Arbeit gelegt werden. Durch eine eigene Börse, die den Bedarf an Freiwilligen bei Vereinen aufzeigt, soll die Vermittlung erleichtert werden. „Denn wer zu einem Verein gehört, bleibt nicht Zaungast der Zivilbevölkerung“, so Kurz.

Auf dem Arbeitsmarkt sei es wiederum das Ziel, Personen mit einem positiven Asylbescheid rasch in Beschäftigung zu bringen. Die Anerkennung der mitgebrachten Qualifikationen sei wichtig, so Kurz. Im Herbst soll daher das Gesetz für eine raschere Anerkennung ausländischer Abschlüsse vorliegen. Da die Flüchtlinge aus anderen Kulturkreisen kommen, mit Traditionen, die man zum Teil hier nicht dulde, gebe es auch „mobile Werteschulungen“, so der Minister.

Ganz kann Kurz am Donnerstag dann doch nicht mit der alten Trennung zwischen Asyl und Integration abschließen: „Dort, wo Asyl endet, beginnt Integration“, meinte er. Sprich: Sobald das Asylverfahren entschieden ist und es einen positiven Bescheid gibt, müsse man verstärkt an der Integration arbeiten.

Heinz Faßmann, Vorsitzender des Expertenrats, ermahnte am Donnerstag allerdings indirekt Politik und Bevölkerung: „Die Zuwanderung wird nicht abreißen“, daher müsse sich Österreich darauf vorbereiten. Und er stellte fest: „Integration ist Sisyphosarbeit, aber Sisyphos war ein glücklicher Mensch, das nur zur Erinnerung.“

Allerdings sei die Stimmung innerhalb der Bevölkerung gar nicht so schlecht, wie es derzeit scheint. „Das Raunzen ist der österreichische Weg der Konfliktbewältigung“, meinte er. Richtige, große Konflikte gebe es aber nicht. Das würde auch eine Befragung zeigen, die jährlich vorgenommen wird: Die überwiegende Mehrheit der Migranten, nämlich 90Prozent, fühle sich völlig oder eher heimisch.

Das Integrationsklima zwischen der Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund verbessere sich auch stetig. 2010 meinten 31Prozent, die Integration funktioniere „sehr gut“ oder „eher gut“, 2015 waren es fast 41Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr war dies ein leichter Rückschritt. Faßmann erklärt sich dies allerdings mit dem Befragungszeitraum (Februar, März 2015), in dem Terroranschläge für Schlagzeilen sorgten und die Ängste verstärkten. Auch die Bilder von Asylwerbern, die im Freien oder in Zelten schlafen, würden für Verunsicherung sorgen. „Ich frage mich, warum Deutschland eine faire Verteilung besser gelingt.“ Daran könnte man sich ein Beispiel nehmen.

Alle Verteilerzentren stehen fest

Apropos Unterbringung von Flüchtlingen: Nun hat auch die Steiermark ihr Verteilerzentrum für Asylsuchende. Damit stehen jene sieben Quartiere fest, mit deren Hilfe die Erstversorgung neu organisiert wird. In der Steiermark wird die Kaserne Fehring als Standort genutzt – die militärische Liegenschaft soll allerdings nur vorübergehend für ein Jahr diese Funktion übernehmen, berichtet die „Kleine Zeitung“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2015)

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