Nationalrat: „Alpen-Varoufakis“ gegen „Deutsche“

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Beim Sanktus im Parlament für das Milliarden-Hilfspaket für Griechenland gab es ungewohnte Allianzen: Kanzler Faymann mit Minister Schelling, ÖVP-Klubchef Lopatka mit Wiens SPÖ-Chef Häupl, FPÖ-Chef Strache mit Premier Tsipras. „Hässliche Deutsche“ lösten Wirbel aus.

Wien. „Einem Ertrinkenden den Rettungsring zu verweigern, das ist Ihre Solidarität?“ ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka gelingt es mit seinem ersten Satz, Wutschnauben und Empörung bei den grünen Parlamentariern auszulösen. Er hatte ihnen Vorhaltungen gemacht, weil sie dem Verhandlungsmandat des Parlaments für die Bundesregierung nicht zustimmen wollen. Damit wird der Weg frei gemacht für ein drittes Hilfspaket für Griechenland in Höhe von 82 bis 86 Milliarden Euro in drei Jahren. Mit Lopatka kommt am Freitagvormittag bei der Sondersitzung Leben ins Hohe Haus, auch wenn rund zwei Dutzend Parlamentarier – wegen Urlaubs – als verhindert entschuldigt sind.

Lopatka stichelt in Richtung des Koalitionspartners SPÖ, auch wenn er ausgiebig die Kritik des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl (SPÖ) am Kurs der griechischen Regierung zitiert. „Ich versuche, Häupl hier eine Stimme zu geben“, feixt er angesichts des Protestgemurmels. Demonstrativ dreht sich Lopatka vom Rednerpult zu dem hinter ihm auf der Regierungsbank sitzenden Kanzler Werner Faymann um: „Herr Bundeskanzler, mir fehlt wirklich jede Sympathie für Syriza und für Tsipras, ich hoffe Sie verstehen mich.“ Es ist ein Seitenhieb, weil Tsipras Faymann vor Monaten als Freund bezeichnet und zuletzt die Rolle des österreichischen Regierungschefs bei den EU-Verhandlungen um Griechenland ausdrücklich gelobt hat.

Rot-schwarze Sticheleien

„Jetzt weiß ich, warum Sie in der Steiermark nichts geworden sind“, tönt es ihm aus den SPÖ-Reihen entgegen. Alle Redner sind bei dieser Sondersitzung sehr bemüht, die Gründe für ein Ja oder Nein zur neuerlichen Griechenhilfe deutlich herauszuarbeiten. Daraus wird eine Redeschlacht zwischen jenen, die die Sparprogramme kleinreden – wie die SPÖ – oder offen geißeln – wie die Grünen – und jenen, die den harten deutschen Kurs ausdrücklich loben – wie die ÖVP.

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) tituliert die Griechen-freundlichere Gruppe später sogar als „Alpen-Varoufakis“, die wie der griechische Ex-Finanzminister lang über die Weltverbesserung redeten, ohne Lösungen anzubieten. „Parteipolitische Polemik“ nennt SPÖ-Mandatar Kai Jan Krainer Lopatkas Solidaritätsadressen für den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble.

„Anbiederungspolitik“, schallt es dem ÖVP-Klubchef von den Grünen entgegen. Grünen-Abgeordneter Bruno Rossmann geht unter Zitierung seines deutschen Parteikollegen und EU-Abgeordneten Reinhard Bütikofer weiter: Dieser habe gesagt, der „hässliche Deutsche hat in der Person Schäuble wieder ein Gesicht bekommen“. Er stimme dem zu. Der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf (ÖVP) erteilt schließlich nach Durchsicht des Protokolls einen Ordnungsruf. Über Zitierungen soll in der nächsten Präsidialsitzung noch diskutiert werden.

Die Fronten im Hohen Haus zum Hilfspaket sind grundsätzlich zwischen Koalition und Opposition abgesteckt. Faymann und auch SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder betonen mit viel Engagement, es gehe nicht um die Rettung von Banken, sondern um die Menschen in Griechenland. Ein Euro-Austritt, ein Grexit, würde „zum endgültigen sozialen Zusammenbruch“ (Schieder) führen. „Die Chance, und mehr ist es nicht“, so Faymann, werde mit dem Hilfspaket geschaffen. Dafür bedankt er sich ausdrücklich bei Schelling, dessen Aktivitäten die SPÖ in der Vergangenheit bisweilen mit viel Skepsis beobachtet hat. Der Finanzminister nimmt umgekehrt den Kanzler in Schutz. Mit viel Emotion verwahrt sich Schelling vor allem gegen Vorwürfe, „erpresserisch“ vorgegangen zu sein, nur weil die EU Griechenland Bedingungen für weiteres Geld gestellt hat.

„Schuss ins zweite Knie“

Die Opposition verweigert aus unterschiedlichen Gründen ihre Zustimmung. Das sei, wie wenn man einem Marathonläufer, der einen Schuss ins Knie erlitten habe, „auch noch ins zweite Knie schießt“, warnt Grünen-Chefin Eva Glawischnig. Neos-Chef Matthias Strolz, dem das Nein wegen des Bekenntnisses zu Europa schwerfällt, hält das Hilfspaket „für eine Fortsetzung der Insolvenzverschleppung“. Dann lieber eine geordnete Insolvenz mit einem Schuldenschnitt. Waltraud Dietrich sagt für das Team Stronach Nein, weil sich ihre Fraktion „Österreich verpflichtet“ fühle.

Für FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache lautet die Lösung: „Der geordnete Ausstieg, der Grexit, wäre g'scheit.“ In einem Punkt solidarisiert er sich sogar mit Tsipras („Respekt“), weil dieser die Bevölkerung mit eingebunden hat: „Da hat man auch die österreichische Bevölkerung in einer Volksabstimmung zu befragen.“ Das passiert aber an diesem 17. Juli nicht. Knapp vor 13 Uhr gibt Rot-Schwarz grünes Licht für das Hilfspaket.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2015)

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