EU-Innenminister. Die Voraussetzungen für eine Umsiedlung von 40.000 Migranten in Griechenland und Italien sind für die ÖVP-Ministerin nicht erfüllt. Österreich könnte Entlastung fordern.
Wien/Brüssel. Mit der Stimmung stand es wieder einmal nicht zum Besten, als sich die EU-Innenminister am gestrigen Montag zu einer Sondersitzung in Brüssel trafen – und das kontroversielle Thema der Quotenaufteilung zigtausender an Europas Küsten gestrandeter Flüchtlinge diskutierten. Die Ausgangslage ist schnell erklärt: Ende Juni haben die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel die Verteilung von 60.000 Flüchtlingen auf alle EU-Staaten beschlossen. Der Versuch, dies über ein verbindliches Quotensystem zu erreichen, scheiterte jedoch am Widerstand Großbritanniens und mehrerer osteuropäischer Staaten.
Deshalb setzt Brüssel nun auf die freiwillige Zusage aller Mitgliedstaaten bis Ende Juli – ein Unterfangen, das sich nun ebenfalls als wenig realistisch entpuppt. Einigkeit herrscht derweil nur über die Aufnahme von 20.000 Menschen aus Flüchtlingslagern in Konfliktgebieten. Die Verteilung von 40.000 Migranten aus den Hauptankunftsländern Italien und Griechenland ist derweil noch Gegenstand heftiger Debatten: Zusagen fehlen für die Aufnahme von fast 10.000 Menschen, hieß es am Montag.
Während der Süden Europas unter der Flüchtlingslast stöhnt, zeigt sich die Problematik für einige weiter im Norden liegende Mitgliedstaaten mit umgekehrten Vorzeichen. So macht sich Österreich zwar grundsätzlich für einen EU-weiten Verteilungsschlüssel stark, aber unter anderen Bedingungen, als dies die Kommission vorgeschlagen hat. Laut dem Vorschlag der Behörde sollte die Republik 1657 Menschen aufnehmen – ein Kontingent, das Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ablehnt. Das Argument: Österreich habe bereits 1500 Syrer mittels Resettlement aufgenommen. Deshalb liegt das Angebot aus Wien nun bei nur 400 Menschen. Diese Zahl bezieht sich auf die 20.000 Kriegsflüchtlinge, auf die sich die Minister Anfang Juli geeinigt haben. Bei der Relocation von 40.000 Personen bleibt die Ministerin hart. Nur unter zwei Bedingungen will sie sich bereit erklären, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, sagte sie im Ö1-„Morgenjournal“: Wenn „diese Länder stärker belastet sind als Österreich“ und „zur Gänze ihren Verpflichtungen“ nachkommen – Voraussetzungen, die die Innenministerin weder in Italien noch Griechenland erfüllt sieht. Österreich bearbeite derzeit mehr Asylanträge als beide Staaten zusammen; umgelegt auf die Einwohnerzahl gar „nahezu zehnmal so viele Anträge“. Mikl-Leitner will deshalb einen Asylnotstand nicht ausschließen, dass also auch sie in den kommenden Wochen eine Entlastung fordert.
Die Regierungen in Rom und Athen lassen die Flüchtlinge zudem oftmals weiterziehen, ohne sie im eigenen Land zu registrieren – wie es das derzeit geltende Dublin-III-System eigentlich vorsehen würde.
Aufbau des Asylsystems an der Grenze
Die ÖVP-Ministerin macht sich für direkte Anlaufstellen an den EU-Außengrenzen stark, wo zwischen Kriegsflüchtlingen und Auswanderern unterschieden werden soll. Hilfe, so Mikl-Leitner, könnten die EU-Asylagentur EASA und die EU-Grenzschutzagentur Frontex leisten. Griechenland und Italien sollten diese Unterstützung annehmen, forderte sie. (red./ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2015)