Neos: Auffallen um jeden Preis

WAHLKONVENT  NEOS WIEN: STROLZ
WAHLKONVENT NEOS WIEN: STROLZAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Die Neos haben den Populismus für sich entdeckt. Ein Stil, der eigentlich nicht so recht zur Partei und ihren Ideen passen will. Aber ein Stil, der Aufmerksamkeit verspricht.

Gegen „die da oben“ zu wettern – das ist nicht neu. Protestparteien wie die FPÖ machen so etwas gern. Nun aber sind es die Neos, die in Wien mit dem Spruch „G'scheite Kinder statt g'stopfte Politiker“ ihr Glück beim Wähler suchen. Zudem stören die Pinken Gemeinderatssitzungen oder versuchen, Treffen anderer Politiker zu crashen. Auch das ist ein Stil, den man den Neos eher nicht zugetraut hätte. Ein bisschen hatte man auch das Gefühl, als wäre es Parteichef Matthias Strolz innerlich unangenehm, als er im Frühjahr das Treffen der Landeshauptleutekonferenz in St. Pölten stören „musste“. Was nicht gelang. Schließlich klebte Strolz seine Thesen aber medienwirksam an die Wand des Landhauses.

Hinter all dem steckt freilich Kalkül. Die Neos brauchen in ihrer Situation Aufmerksamkeit. Und sie bekommen durch solche Aktionen auch genau diese Aufmerksamkeit. Vorbei sind die Zeiten, als man mit der simplen Ankündigung, jedem Kind die Flügel heben zu wollen, reüssieren konnte. Vorbei sind die Zeiten nach dem Parlamentseinzug im Jahr 2013, als die Neos vielerorts als neue Stars am Politikhimmel galten. Der Nimbus des unverbrauchten Neuen ist dahin.

Geriet man im Vorjahr mit von der Parteiführung eigentlich ungewollten Themen in den öffentlichen Fokus (Stichwort Wasserprivatisierung oder Cannabis-Legalisierung), drohte man Anfang 2015 fast gänzlich von der politischen Wahrnehmung der breiten Bevölkerung zu verschwinden. Die Themen der Neos wirkten nicht mehr so neu. Und die ÖVP gibt für die Pinken nach dem Obmannwechsel zum liberaleren Reinhold Mitterlehner auch nicht mehr so sehr den gewünschten Reibebaum ab wie zu Zeiten eines Michael Spindelegger.

Warum man Neos wählen sollte, kam zuletzt auch an der Wahlurne immer weniger an. Dass man es bei der burgenländischen Landtagswahl nicht leicht haben wird, war klar. 2,6 Prozent in der Steiermark sind aber dann doch ein Debakel. In einer Situation, in der Rot und Schwarz brutal abgestraft wurden. Und in einem Bundesland, in dem man mit dem bürgerlich und studentisch geprägten Graz ein großes Wählerreservoir hätte ausschöpfen können. Sicher, es fehlten wegen des vorgezogenen Wahltags noch die Strukturen. Aber es waren auch die pinken Themen kaum an die Wähler zu bringen.

Wildern bei den Grünen. All das erklärt den Strategiewechsel der Pinken. In der Kommunikation will man sich personell neu aufstellen. Inhaltlich möchte man nicht mehr auf rein rationale Argumente wie die Notwendigkeit von Reformen setzen. Emotionen sollen geweckt werden, da kommt der Gegensatz zwischen „g'stopften Politikern“ und „g'scheiten Kindern“ gerade recht.

Bei der Landtagswahl in Oberösterreich am 27. September wollen die Pinken besser abschneiden als zuletzt. Bei der Gemeinderatswahl in Wien am 11.Oktober müssen sie es. Mit Beate Meinl-Reisinger hat man dafür eine bekannte und schon aus ihrer Zeit in der ÖVP politerfahrene Spitzenkandidatin am Start. Das Augenmerk in Wien liegt aber gar nicht so sehr auf abtrünnigen Schwarzen. Die Neos schielen stark auf grüne Stimmen. Nicht umsonst schießen sie sich auf das grüne Feindbild Nummer eins, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, ein. Eine eigene Homepage wurde unter dem Motto „Strache abmontieren“ eingerichtet, auch auf Plakaten wird Strache als Gegner ausgerufen. Die Botschaft: Wer Veränderung in Wien ohne Strache will, soll Neos wählen. Wenngleich die Schnittmenge an Leuten, die zwischen FPÖ und Neos schwanken, doch überschaubar sein dürfte. Je näher die Wahl rückt, desto mehr wollen sich die Pinken aber auf auf ihre Kernthemen wie Transparenz konzentrieren statt auf Strache.


Noch anders als die anderen? Sind die Neos nun eine populistische Partei? Was ihre Ideen betrifft, wohl nicht. Mit Verschärfungen bei den Pensionen oder der Ausweitung der möglichen Arbeitszeit an einem Tag wird man der breiten Bevölkerung kaum Honig ums Maul schmieren. Das Anprangern von „g'stopften Politikern“ klingt aber dann doch sehr populistisch. Der neue Kommunikationsstil hat nicht mehr allzu viel mit dem ursprünglichen Dogma der Neos zu tun, ganz anders als die alten Parteien aufzutreten.

Aber es sind entscheidende Wahlen für die Pinken. Gehen die Urnengänge in Oberösterreich und in Wien schief, dann könnte dies der Anfang vom Ende der Neos sein. Dann könnten die Pinken das Schicksal des alten Liberalen Forums erleiden. Ein Erfolg in Wien hingegen wäre nach einer Durststrecke ein kräftiges Lebenszeichen der Neos. Dafür nehmen die Pinken dann eben auch etwas Populismus in Kauf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2015)

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