Asyl-Krise: Traiskirchen vor Aufnahmestopp

Erstaufnahmezentrum Traiskirchen
Erstaufnahmezentrum TraiskirchenDie Presse
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Ab nächster Woche dürften in das überfüllte Lager keine neuen Asylwerber mehr aufgenommen werden. Für den UNHCR sind die Zustände dort "untragbar, gefährlich und menschenunwürdig".

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat angekündigt, das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen für Neuankömmlinge sperren zu wollen, sollte sich die Lage dort nicht umgehend verbessern. „Wenn die Bundesländer bis zum 31. Juli keine tragfähigen Konzepte auf den Tisch legen", würde ein Aufnahmestopp verhängt, sagte sie am Dienstag in der „ZiB". Sie werde dann in Eigeninitiative Notfallquartiere für die hunderten Obdachlosen auf dem Gelände suchen. Auf die Frage, ob das mit Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) abgesprochen sei, sagte letzterer anschließend in der „ZiB 2“: „Es ist in meinem Sinne.“

Denn in dem Lager habe sich „die Situation unglaublich verschärft“. So würden sich dort mittlerweile über 4500 Flüchtlinge befinden - offiziell zugelassen ist Traiskirchen für 1840 Personen. Das sei den Betroffenen ebenso wenig zumutbar wie der Bevölkerung, auch, weil bei einer so großen Anzahl von Menschen leicht Seuchen oder Epidemien aufkommen könnten.

Offiziell haben die Länder noch bis Ende des Monats, also bis Samstag, Zeit, genügend Ressourcen zu schaffen, um eine Entlastung Traiskirchens zu ermöglichen. Dass ihnen das tatsächlich gelingt, gilt als äußert unwahrscheinlich.

Weitere Zeltstädte nicht ausgeschlossen

Da auch die bereits in Betrieb befindlichen Verteilerquartiere in den Ländern voll sind, müssen wohl seitens des Bunds neue Ressourcen geschafft werden. Aus dem Innenministerium hieß es am Mittwoch, dass man an der Bereitstellung von notdürftigen Quartieren arbeite. Auf Details will man sich vorerst aber nicht einlassen. Als möglich gilt, dass wie beim umstrittenen Quartier in Spital am Semmering im Vorjahr jetzt wieder größere, allenfalls leer stehende Hotels angemietet werden, um dort größere Flüchtlingsgruppen unterbringen zu können. Auch weitere Zeltstädte sind nicht auszuschließen. Eher unwahrscheinlich sind Container-Lösungen, da hier in den meisten Bundesländern die Zustimmung der Gemeinden notwendig wäre.

Mit dem sich anbahnenden Aufnahmestopp in Traiskirchen würde das Innenministerium einem Appell des UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR entsprechen. Die Situation sei „untragbar, gefährlich und menschenunwürdig", meinte Christoph Pinter, der Leiter von UNHCR Österreich, anlässlich eines Besuchs in Traiskirchen. Es brauche äußerst rasch kurzfristige Übergangslösungen, um die Obdachlosigkeit zu beenden. „Wir schlagen vor, eine Task Force zu gründen, um eine mittel- und langfristige Strategie im Asylbereich zu erarbeiten." Vordringlich erscheint Pinter dabei auch eine Erhöhung der Tagsätze für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, um adäquate Betreuungsplätze für sie zu finden.

"Was sich jetzt hier abspielt ist einfach grausam"

Landeshauptmann Pröll forderte im ORF alle Beteiligten – vom Bund bis hinunter zu den Gemeinden – dazu auf, zusammenzuhalten. „Denn, was sich jetzt hier abspielt, ist einfach grausam.“ Darauf angesprochen, dass er die Flüchtlinge in Traiskirchen doch in anderen niederösterreichischen Quartieren unterbringen könnte – ohne das Lager würde sein Bundesland nur eine Unterbringungsquote von 64 Prozent aufweisen -, sagte Pröll: „Das ist eine Mär von Herrschaften, die gerne politisches Kleingeld wechseln. Das ist absolut unrichtig.“

Konfrontiert damit, dass 56 Prozent der niederösterreichischen Gemeinden völlig frei von Asylwerbern seien, meinte der Landeschef: „Diese Statistik-Diskussion wird uns nicht weiterbringen.“ Es gebe derzeit 500 Gemeinden, die Asylwerber unterbringen würden - „und davon 200 Gemeinden allein in Niederösterreich.“ Auf österreichischem Terrain alleine könne die Krise zudem nicht gelöst werden: „Es muss eine internationale Situation herbeigeführt werden, wo zumindest die Zuwanderung in Europa kontrolliert werden kann.“

Bischofskonferenz lobt Flüchtlingshilfe der Kirche

Die katholische Kirche wies indes zurück, zu wenig für Asylwerber zu tun und lobte sich selbst dafür, „bei der Hilfe für Flüchtlinge deutlich zugelegt" zu haben. Der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Peter Schipka, verwies am Mittwoch darauf, dass die Caritas innerhalb eines Jahres die von ihr betreuten Plätze in der Grundversorgung von 2700 im August 2014 auf rund 4400 gesteigert habe.

>> Erwin Pröll in der „ZiB 2“

(Red.)

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