Tiergarten: Hinter den Kulissen wird gezüchtet

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Ohne Zuchtprogramme in Zoos wären viele Tierarten ausgestorben. Nicht nur Pandas und Geparde werden in Wien gezüchtet, auch Reptilien, Amphibien und Fische. Ein Besuch bei den Züchtern des Tiergartens Schönbrunn.

Als im Tiergarten Schönbrunn anno 2007 das erste Pandababy geboren wurde, war das eine Weltsensation: Erstmals gelang einem europäischen Zoo Pandanachwuchs ohne künstliche Besamung. „Doch wir freuten uns zur gleichen Zeit über einen andere Sensation in Schönbrunn: Erstmals bekamen wir Krokodil-Teju-Echsen, die wir später auch nachzüchten konnten. Das war für die Fachwelt ein ebenso großer Erfolg wie die Pandazucht, doch von der Öffentlichkeit blieb die Echse eher unbeachtet“, erzählt Anton Weissenbacher, Zoologischer Abteilungsleiter im Tiergarten.

Was die meisten Zoobesucher nicht wissen: Der Tiergarten ist für die Erhaltung vieler bedrohter Arten notwendig. Hier arbeiten Pfleger und Wissenschaftler, um seltene Arten durch Zucht vor dem Aussterben zu retten. In der Schauanlage zu züchten ist schwierig, die meisten Zuchten laufen kontrolliert hinter den Kulissen in Kellerräumen und Labors ab. „Bei vielen Arten wissen wir gar nicht, ob sie bedroht sind. Oft weiß man nichts über die Tiere. Wir experimentieren viel, wie man sie halten kann und unter welchen Bedingungen sie sich vermehren“, sagt Weissenbacher.

Back-up für das Freiland

Denn irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem eine Art plötzlich als bedroht eingestuft wird. „Dann ist der Zoo ein gutes Back-up: Wir haben hier hunderte Arten von Fischen, Reptilien, Amphibien und auch Insekten. Wenn die letzte Population im Freiland ausstirbt, kann man sie aus diesem Back-up nachzüchten.“

Die Zoobesucher hätten meist den Eindruck, über all diese Tierarten sei schon alles erforscht, was es zu wissen gibt – Naturdokumentationen im Fernsehen vermitteln diesen Eindruck. Doch der Alltag der Züchter zeigt: Die Mehrzahl der Tiere ist nicht erforscht.

Auch bei dem kleinen Winkerfrosch, der bei Zoobesuchern beliebt ist, die im Regenwaldhaus gern nach zwei Zentimeter kleinen Amphibien suchen, hatte noch kein Mensch je den Laich, also die Eier, in freier Natur gesehen. Ihren Namen haben sie von dem auffälligen Winken mit den Hinterbeinen. Diese Winkbewegung gehört wie das Rufen zum Balzverhalten.

„Die Frösche kommen auf Borneo vor, dort findet man die erwachsenen Tiere an Flüssen. Doch es wurde erst eine einzige Kaulquappe je gesichtet“, erzählt Doris Preininger von der Zoologischen Abteilung. In ihrer Dissertation über das Verhalten der Winkerfrösche – betreut an der Uni Wien – gelang ihr hier in Schönbrunn die weltweit erste Nachzucht. Das Experiment gelang, indem sie ein Becken baute, in dem verschiedenste Wasserzugänge und Wasserfließgeschwindigkeiten angeboten wurden: stark fließend, langsam fließend, Wasserfall, stehendes Gewässer und mehr. „Im langsamen Fließbereich haben die Frösche dann die Eier an die Steine geklebt“, sagt Preininger. Erst dieses Wissen ermöglichte die weitere Zucht: „Heute haben wir so viele, dass wir fast nicht wissen, wohin damit“, schmunzelt sie. Freilich wissen sie das: Das Interesse von anderen Zoos besteht bei allen Tieren, die nur hier gezüchtet werden.

Jedes Wissen ist wichtig

„Internationale Kooperationen sind enorm wichtig für uns“, sagt auch Weissenbacher. Erstens ist jedes Wissen, das über eine Art gewonnen wird, von Vorteil für einen Zuchterfolg. Zweitens braucht man den Austausch von paarungswilligen Tieren über den Erdkreis, um eine Degeneration des Erbmaterials durch Inzucht zu vermeiden.

Chef über die Arterhaltung und die Zucht ist für jede Tierart ein Zuchtbuchführer. Weissenbacher führt das Zuchtbuch der bedrohten Fidschi-Leguane: Baumbewohner, die nur im Südpazifik auf wenigen Inselgruppen vorkommen. Die Weibchen sind einheitlich grün, die Männchen gestreift. Je nach Stimmung können sie die Farbe ihrer Streifen von Weiß bis Türkis verändern. „Bei der Balz wird die Haut dunkel und die Streifen leuchten. Das ist ihre Art zu flirten“, so Weissenbacher.
Nach dem weltgrößten Zoo in San Diego war Wien 2007 der erste Tiergarten, in dem die Nachzucht dieser Leguane geklappt hat. Seither werden diese schönen Reptilien an andere Zoos abgegeben, um die Art langfristig in menschlicher Obhut zu erhalten.

„Wir arbeiten auch eng mit privaten Züchtern zusammen. Jeder davon ist ein Experte, was die von ihm gezüchtete Tierart betrifft. Einer der weltbesten Leguanexperten sitzt in Oberösterreich. Ohne ihn hätten wir keine Fidschi-Leguane in Europa“, betont Weissenbacher.
Der jüngste Erfolg als Welterst-Nachzucht im Zoo war die Grüne Baumeidechse: Diese kleinen Reptilien aus Tansania und Kenia leben auf Bäumen und wurden daher selten beobachtet. Die Tierpfleger in Schönbrunn experimentierten herum, bis die Bedingungen gefunden waren, damit die Eier schlüpfen und die Jungtiere überleben: Eine niedrigere Bodenfeuchte und die Absenkung der Temperatur in der Nacht waren ausschlaggebend. „Auch bei ihnen war über die Lebensweise wenig bekannt. Vielleicht weil sie als Nahrungsmittel völlig ungeeignet sind“, sagt Weissenbacher. Je nützlicher ein Tier für den Menschen ist, umso besser studiert man es. Auch in Österreich ist an Forellen viel mehr geforscht worden als an Koppen, die in ähnlichen Gewässern vorkommen, aber nicht so gut zum Verzehr geeignet sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2015)

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