Pharmazeutika: Hilfe durch Mikroben aus dem Meer

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Ein niederösterreichisches Unternehmen will aus maritimen Mikroorganismen Antibiotika-ähnliche Substanzen gewinnen. In einigen Jahren sollen die Produkte marktfähig sein.

Antibiotika sind wichtig, notwendig, unverzichtbar. Antibiotika-ähnliche Substanzen mithilfe von Meeresorganismen? Das österreichische Biotech-Unternehmen Sealife Pharma GmbH hat hier einen neuen Weg gewählt und ist in ihrem umfassenden Forschungsprojekt noch einen Schritt weiter gegangen: Nach einer analytischen „Zerlegung“ (Identifikation) bestimmter Meeresorganismen sollen in der Endentwicklung die angepeilten „antiinfektiven“ Wirkstoffe direkt über den chemischen Weg gewonnen werden.

„Vom Beginn der eigentlichen Forschung bis zum marktfähigen Produkt kann man einen Zeitlauf von zehn Jahren annehmen“, sagt der Biologe und Biomediziner Alexander Pretsch. Die am niederösterreichischen Eco-Plus-Standort Tulln ansässige Sealife Pharma mit derzeit neun Mitarbeitern ist in zwei EU-Projekte eingebunden und mit mehreren europäischen Forschungslabors vernetzt.

In Österreich wird die Arbeit von der FFG, dem Land Niederösterreich (Tecnet Equity) und einem VC (PP-Capital) gefördert. Kooperationen bestehen zudem mit der FH Krems und dem Wiener AKH. 2008 wurde das Unternehmen gegründet, nach einer Dekade, also etwa 2018, könnten, sagt Pretsch, die approbierten ersten Produkte auf den Markt kommen.

Meer und Korallen faszinierten

Für den 38-Jährigen üben, wie er sagt, seit seiner Kindheit die Meere und da speziell die Korallen eine besondere Faszination aus, der er nun beruflich nachgeht. Er studierte Biologie und Biomedizin in Wien und initiierte vor sechs Jahren die Sealife Pharma. Die spezielle Physiologie von Organismen aus dem Meer dient als Grundlage, um Wirkstoffe gegen resistente Infektionserreger zu identifizieren und weiterzuentwickeln. Das Unternehmen hat sich auf die Suche nach neuen Wirkstoffen in Pilzen und Bakterien spezialisiert und dabei Meeresalgen, Schwämme und Korallen unter die Lupe genommen.
„Nach der Extraktion der maritimen Mikroorganismen schauen wir uns den Aufbau und die chemischen Strukturen an“, sagt der Wiener Forscher.

Im Fokus stand zum Beispiel ein maritimer Korallenschleim, dessen polymere Strukturen antiinfektive Wirkung aufweisen. Dabei kommt es auf ein spezielles Verbindungsmuster an, das für die antimikrobielle und antivirale Qualität verantwortlich ist. Alexander Pretsch: „Wir klären die verantwortlichen Verbindungsmuster im Molekül, dann werden diese auf andere chemische Bausteine umgemünzt.“ Diese klassischen chemischen Grundbausteine werden im nächsten Schritt nun nicht mehr aus natürlichen Substanzen gewonnen, sondern chemisch hergestellt und ermöglichen damit die breite Anwendung.

Neben den eigentlichen Antibiotika konzentriert sich die Forschung auf die antibiotische Wirkung von Biociten. Diese sind im Hygienebereich von großer Bedeutung. „Sie verhindern, dass Keime von A nach B kommen“, erläutert Pretsch. Mit derartigen Produkten kann die Übertragung von Krankheitskeimen minimiert bzw. verhindert werden. Dabei handelt es sich um die Krankenhausbakterien MRSA (Methicillin resistenter Staphylococcus aureus), von denen gesunde Menschen nicht ernstlich erkranken, die aber in Spitälern Infektionsquellen darstellen.

Erste konkrete Erfolge

Bei der Bekämpfung von gegen bestehende Klassen von Antibiotika multiresistenten Keimen konnte bereits ein konkreter Erfolg erzielt werden. In Labortests hat das Sealife-Forscherteam nun Substanzen entwickelt, die effektiv gegen multiresistente bakterielle Erreger wirken.

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt setzt Sealife Pharma im Bereich der Abwehr der problematischen Milchsäurebakterien Streptokokken oder Enterokokken, die bei schwacher Konstitution das Immunsystem angreifen. Diese Bakterien können ebenfalls bei Krankenhausaufenthalten aktiviert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2015)

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