Krisenbewältigung: Neue SPÖ-Solidarität und Abweichler Niessl

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Nach der Zerreißprobe um Rot-Blau bemüht sich die Kanzlerpartei, die Genossen um Faymann zu scharen. Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl sprengt einmal mehr die beschworene Geschlossenheit.

Wien. Knapp zwei Monate nach den Wahlschlappen für die SPÖ in der Steiermark und im Burgenland will die Bundes-SPÖ wieder alle hinter Kanzler Werner Faymann scharen. Ab heute, Montag, werden österreichweit 500 Plakate affichiert, mit denen den Österreichern die Wichtigkeit von „Zusammenhalt“ in der Gesellschaft vor Augen geführt wird. Gleichzeitig dient die SPÖ-Sommerwerbekampagne dazu, demonstrativ zu unterstreichen, dass die Kanzlerpartei nach all den Turbulenzen an einem Strang zieht.

Im Vordergrund steht dabei, was die Kanzlerpartei für ihre Wählerklientel in der Arbeitnehmerschaft tut. Nicht zufällig erfolgte der Start der Aktion am Freitag gemeinsam mit dem Chef der SPÖ-Gewerkschafter, dem Faymann-loyalen Vorsitzenden der Gewerkschaft der Privatangestellten, Wolfgang Katzian. Die Kanzlerpartei vermarktet dabei bewusst die Entlastungen, die den Österreichern 2016 mit der Anfang Juli vom Nationalrat beschlossenen Steuerreform ins Haus stehen. Denn obwohl Faymanns SPÖ mit Steuererleichterungen von rund fünf Milliarden Euro so ziemlich das Maximum herausholen konnte, auch wenn der Verzicht auf „Reichensteuern“ schmerzte, haben die koalitionsinternen Auseinandersetzungen und mieses Eigenmarketing nicht zu dem erhofften Bonus bei den Wählern geführt.

Aber auch das hat sich die SPÖ-ÖVP-Regierung zu einem großen Teil selbst zuzuschreiben. Denn spätestens seit Mitte Mai werden alle innenpolitischen Themen von der Flüchtlingsproblematik überlagert. Bundeskanzler Werner Faymann signalisierte für die Bevölkerung beim Asylthema nicht die von einem Regierungschef erwartete Führungsfunktion. Die Ländervertreter ließen ihn bei einem Gipfel Ende Juni beim Vorstoß für Gemeindequoten zur Unterbringung von Flüchtlingen als Blamierten dastehen. Erst zuletzt hat der Kanzler mit dem gemeinsam mit Vize Reinhold Mitterlehner verkündeten Notfallplan samt stärkerem Durchgriffsrecht für den Bund das Heft wieder in die Hand genommen.

Ausgerechnet ein ranghoher Politiker der SPÖ scherte in dieser Frage bei einer Art nationalem Schulterschluss aus. Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl meldete prompt Bedenken an, dass von Bundesseite in die Autonomie der Gemeinden bei der Raumordnung eingegriffen wird.

Kanzlerautorität untergraben

Niessl untergräbt damit einmal mehr die Autorität Faymanns als Führungspersönlichkeit in der Republik und in der SPÖ selbst. Im Juni hatte der Burgenländer mit seinem Solo im Stechschritt zur Bildung einer rot-blauen Landesregierung die Kanzlerpartei in eine Zerreißprobe gestürzt und die Führungsqualitäten Faymanns ramponiert. Schließlich musste die SPÖ vom strikten Nein Faymanns und einem Bundesparteitagsbeschluss zum Nein zu einer Koalition mit der FPÖ abrücken und den Bundesländern eine eigene Linie zugestehen.

Auch in Oberösterreich wurde der Bannfluch gegen die Freiheitlichen prompt beendet. Bemerkenswert ist aber, dass am Wochenende ausgerechnet der frühere, langjährige SPÖ-Bundesgeschäftsführer und jetzige Landesrat im Burgenland, Norbert Darabos, auf Distanz zu Niessl ging. Darabos wirbt um Verständnis für eine Quote für Asylwerber auch im Burgenland, was prompt unter seinen burgenländischen Parteigenossen nicht unwidersprochen blieb. Niessls Nein zu einem Drüberfahren durch den Bund wird als Tribut an seinen blauen Koalitionspartner gesehen.

Es ist nicht der einzige Alleingang Niessls. Der burgenländische Landeshauptmann durchkreuzte mit seinem Ausscheiden aus der SPÖ-ÖVP-Arbeitsgruppe zur Bildungsreform vor wenigen Wochen gemeinsam mit Niederösterreichs Erwin Pröll die Linie der Faymann-SPÖ. Diese sieht sich bei der Bildungsreform als treibende Kraft in der Regierung. Niessl Auszug desavouierte seine rote Parteikollegin Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek und die Kanzler-Partei, auch wenn in der Vorwoche bekräftigt wurde, dass die rot-schwarze Arbeitsgruppe gemeinsam mit Ländervertretern bis zur selbst gesetzten Frist am 17. November Ergebnisse abliefern werde.

Zur Krisenbewältigung nach den heftigen Turbulenzen um Rot-Blau gehört auch, dass das von Faymann in die Parteizentrale geholte neue Duo mit Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid und Kommunikationschef Matthias Euler-Rolle um verstärkte Kontakte mit den SPÖ-Landesorganisationen und die Einbindung möglichst vieler Funktionäre bemüht ist. Der seit 3. Juli im Amt befindliche Bundesgeschäftsführer, der aus der Wiener SPÖ kommt, hat inzwischen der Mehrheit der Landesorganisationen einen persönlichen Besuch abgestattet. Darüber hinaus gibt es regelmäßig Videokonferenzen mit allen SPÖ-Landesvertretern.

Für Asyldebatte wappnen

Das trägt die Handschrift von Kommunikationschef Euler-Rolle, der noch im Juli das Ambiente in der Zentrale in der Löwelstraße hinter dem Burgtheater aufmöbeln ließ. Er ist auch dafür verantwortlich, dass tausende Parteifunktionäre jetzt mit Argumentationsmaterial für akuelle Themen von der SPÖ-Zentrale direkt ausgestattet werden. Nicht zufällig wappnete Faymanns Duo in der Löwelstraße die Genossen mit Material über „Mythen und Fakten“ für die Asyldebatte. Schließlich hat die FPÖ ihre Wahlerfolge in der Steiermark und auch im Burgenland zu einem beträchtlichen Teil den Forderungen nach einem verschärften Kurs bei der Flüchtlingsaufnahme zu verdanken.

Die Bundes-SPÖ versucht damit auch den roten Wahlkämpfern in Wien und in Oberösterreich unter die Arme zu greifen. In beiden Ländern droht der SPÖ laut Umfragen eine erneute Schlappe. Spätestens nach der Wiener Wahl am 11.Oktober wird sich dann zeigen, wie es um den nun beschworenen und plakatierten Zusammenhalt in der Kanzlerpartei selbst tatsächlich bestellt ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2015)

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