Neo-ÖVPler Ertlschweiger: Signale auch aus dem SPÖ-Klub

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Die ÖVP war offenbar nicht die einzige Partei, die sich um unzufriedene Abgeordnete anderer Klubs bemühte. Das Team Stronach lässt Schadenersatzklagen gegen die abtrünnigen Mandatare prüfen.

Wien. ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka war nicht der Einzige, der beim ehemaligen Team-Stronach-Abgeordneten Rouven Ertlschweiger angeklopft hat. „Es gab auch einige SPÖ-Mandatare, die mir mehrmals zu verstehen gegeben haben, dass ich auch in ihren Reihen willkommen wäre“, sagte Ertlschweiger am Montag der „Presse“. Namen nannte er – „aus Rücksicht auf die Kollegen“ – keine. Er habe sich dann aber, aus weltanschaulichen Gründen, anders entschieden.

Seit Montag sind Ertlschweiger und Kathrin Nachbaur, einst engste Vertraute von Parteigründer Frank Stronach, auch offiziell Mitglied des ÖVP-Klubs – kraft einer Mitteilung der Parlamentskorrespondenz. Die Volkspartei hat mit nunmehr 51 Abgeordneten nur noch einen weniger als die SPÖ, während das Team Stronach mit sieben Mandataren zum kleinsten Parlamentsklub geschrumpft ist. Der bisher kleinste, der Neos-Klub, zählt neun.

In den ÖVP-Reihen wird sich der ehemalige Journalist Ertlschweiger nun den Themen Medien und Sport widmen, während Generalsekretär Gernot Blümel (der kein Nationalratsmandat hat) Mediensprecher und Hannes Rauch Sportsprecher bleibt. Nachbaur will sich auf die Bereiche Wirtschaft und Forschung konzentrieren.

Willkommen sind die beiden Neuen aber nicht überall in der Volkspartei. Er halte einen Klubwechsel während der Legislaturperiode grundsätzlich „nicht für okay“, richtete der geschäftsführende Obmann der burgenländischen ÖVP, Thomas Steiner, vor allem Ertlschweiger aus, zumal der bei der Landtagswahl Ende Mai unter der Marke Stronach noch gemeinsam mit der Liste Burgenland kandidiert hatte. Gegen die ÖVP.

Ertlschweiger lässt sich davon nicht beeindrucken: „Ich bin in Niederösterreich zur Schule gegangen und habe später lang für die ,Niederösterreichischen Nachrichten‘ gearbeitet. Dabei habe ich mich stets an der niederösterreichischen Volkspartei orientiert, aber nie an der burgenländischen.“

„Verstoß gegen Ehrenkodex“

Im Team Stronach will man die Ereignisse der vergangenen Tage und Wochen – Marcus Franz und Georg Vetter haben den Klub bereits Anfang Juni in Richtung ÖVP verlassen – nicht einfach hinnehmen. Wie Stronachs Parteianwalt, Kurzzeit-Justizminister Michael Krüger, erklärte, prüfe man derzeit Schadenersatzklagen gegen alle vier Ex-Klubmitglieder. „In unserem Strafgesetzbuch gibt es kein ausdrückliches Verbot der politischen Prostitution“, meinte Krüger. Deshalb sei „die Sache“ juristisch auch nur schwer fassbar. Aber weil sich alle Abgeordneten mit ihrer Unterschrift an den Ehrenkodex der Partei gebunden hätten, „könnte ein Verstoß gegen eine zivilrechtliche Vereinbarung vorliegen“. Dass Stronach vor der Nationalratswahl 2013 Abgeordnete abgeworben und mit ihnen einen neuen Klub gegründet hatte, erwähnte Krüger nicht.

Die Höhe der Schadenersatzklagen soll sich an den Beträgen orientieren, die das Team Stronach durch die Abgänge verliert. Vetter und Franz kosten mehr als 200.000 Euro pro Jahr, Nachbaur und Ertlschweiger weitere 332.000 Euro. Heuer gelten die Verluste aliquot.

Neuer Parteiname?

Im Stronach-Klub bahnten sich inzwischen weitere personelle Veränderungen an. Klubchefin Waltraud Dietrich wird demnächst wohl durch Robert Lugar, der schon einmal Klubobmann war, ersetzt. Mit der ruhigen, eher unauffälligen Dietrich ist Stronach unzufrieden. Sie soll jedoch Abgeordnete bleiben – im Stronach-Klub, wie man in Parteikreisen eilig hinzufügt. Zur Debatte steht auch ein neuer Parteiname. Und zwar ohne Stronach. Der Parteichef dürfte sich aber noch nicht endgültig entschieden haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2015)

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