Wie man fliegend die Koalition wechselt

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Es benötigt keine Wahlen, um die Regierung auszutauschen. Eine etwaige schwarz-blaue Mehrheit im Nationalrat bräuchte aber die Mitwirkung des Bundespräsidenten, um Ministerien neu zu besetzen.

Wien. Es ist ein Szenario, das dieser Tage durch Österreichs innenpolitische Kreise geistert: ein sogenannter „fliegender Koalitionswechsel“ von Rot-Schwarz zu Schwarz-Blau. Grünen-Obfrau Eva Glawischnig bat vorsorglich schon einmal Bundespräsidenten Heinz Fischer, ÖVP und FPÖ nicht mit einer Regierungsbildung zu beauftragen, sollten die Parteien eine Mehrheit im Nationalrat finden. Aber kann ein fliegender Wechsel überhaupt so leicht funktionieren, und wie viel dürfte die Hofburg dabei mitreden?

Gegen eine neue Koalition auf parlamentarischer Ebene kann der Bundespräsident nichts tun. Die Abgeordneten dürfen ja abstimmen, wie sie wollen, und jederzeit gemeinsam Gesetze beschließen.

Anders ist es da schon mit den Regierungsmitgliedern. Sie können zwar auch unabhängig von Wahlen wechseln, aber hier spricht stets die Hofburg ein wichtiges Wörtchen mit. Der Bundespräsident kann den Kanzler bzw. die gesamte Bundesregierung entlassen, im Alleingang. Einzelne Minister hingegen darf der Bundespräsident nur auf Vorschlag des Kanzlers austauschen. Bei der Ernennung eines neuen Kanzlers wäre Heinz Fischer völlig frei (bloß die neuen Minister kann er wieder nur auf Vorschlag des Kanzlers ernennen). Jeder Österreicher ab 18 Jahren darf als Kanzler angelobt werden, egal, ob er eine wichtige politische Funktion hat oder nicht. So etwas wie einen Regierungsauftrag an bestimmte Politiker oder Parteien kennt die Verfassung nicht. Dabei handelt es sich höchstens um ein informelles Prozedere.

Klingt, als hätte der Bundespräsident bezüglich der Regierungsbank die Zügel in der Hand. Ganz so ist es aber auch wieder nicht. Eine mit einer Mehrheit im Nationalrat ausgestattete Koalition kann zwar weder Kanzler noch Minister wählen. Aber sie kann sich solcher entledigen. Gegen einzelne Regierungsmitglieder, aber auch gleich gegen die gesamte Regierung darf der Nationalrat ein Misstrauensvotum aussprechen. Mit der Folge, dass die Betroffenen ihr Amt verlieren.

Heißt im Klartext: Eine Regierung, die über keine Mehrheit mehr im Nationalrat verfügt, hält sich nicht lang. Weswegen Bundespräsident und Vertreter der Koalition im Nationalrat in aller Regel kooperieren (müssen). Im Extremfall könnte der Bundespräsident jedoch den Nationalrat auflösen, Neuwahlen wären die Folge.

ÖVP plus vier, aber FPÖ minus zwei

All dies ist jedoch ein höchst theoretisches Szenario. Offiziell will momentan ohnedies niemand Schwarz-Blau. Und jedenfalls fehlt noch einiges zur Mehrheit. Zwar gewann die ÖVP inzwischen vier Mandatare vom Team Stronach dazu. Die FPÖ verlor aber zuletzt im Zuge der Spaltung der Salzburger Landespartei zwei Abgeordnete, die nun ohne Klubzugehörigkeit im Nationalrat sitzen. Insgesamt verfügen ÖVP und FPÖ also jetzt über 89 Mandatare. Für eine Mehrheit im 183-köpfigen Nationalrat fehlen somit noch drei Abgeordnete. Freilich: Es dürfte der ÖVP nicht unbekannt sein, dass es im Klub des Teams Stronach noch sieben Abgeordnete gibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2015)

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