Asyl: "Traiskirchen könnte zur Falle werden"

ASYL - AUFNAHMESTOPP IN TRAISKIRCHEN
ASYL - AUFNAHMESTOPP IN TRAISKIRCHEN(c) APA/HERBERT P.OCZERET (HERBERT P.OCZERET)
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Das überfüllte Erstaufnahmezentrum nimmt seit Mitternacht keine weiteren Asylwerber mehr auf. Die Volksanwaltschaft kritisiert die "unerträglichen" Zustände. Ministerin Mikl-Leitner empfiehlt die Aufstellung von Traglufthallen.

Seit Mitternacht gilt im Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen ein Aufnahmestopp. Am Vormittag stellte sich die Lage vor dem überfüllten Flüchtlingslager ruhig dar. Die Polizei war präsent, mehrere blau-gelbe Reisebusse fuhren auf das Gelände, um Asylwerber aufzunehmen und in andere Quartiere zu bringen.

Um 10.30 Uhr verließ der erste Bus das Areal - voll besetzt, die Insassen winkten heraus und lachten. Bevor dann weitere Fahrzeuge folgen konnten, setzten sich zwei Flüchtlinge vor die Ein-/Ausfahrt und blockierten diese damit. Sie entfernten sich erst auf Intervention von Polizeibeamten. Gute drei Dutzend Aktivistinnen verteilten vor dem Lager unter dem Motto "from women for women" Lebensmittel wie Bananen, Nektarinen und selbst gemachten Schokoladekuchen an Asylwerberinnen.

"Kein Wasser, kein Essen, kein Geld"

Er habe "kein Wasser, kein Essen, kein Geld", sagte ein 30-jähriger Iraner. Zwei Tage sei er im Camp gewesen, seit sechs Tagen stehe er auf der Straße - der Zutritt sei ihm verboten worden. Nach seinen Angaben ebenfalls seit sechs Tagen "outside" war ein 23-jähriger afghanischer Staatsbürger.

Das Land Niederösterreich hatte den Aufnahmestopp in Traiskirchen bewirkt: Grundlage war das Ergebnis einer gesundheitsbehördlichen Untersuchung in der vergangenen Woche. Unter anderem waren Mängel bei den sanitären Einrichtungen festgestellt worden. Erstuntersuchungen und erste Verfahrensschritte würden aber weiterhin durchgeführt, erklärte das Innenministerium.

Am Dienstag haben sich laut Innenministerium rund 4000 Flüchtlinge in Traiskirchen aufgehalten, knapp 1500 davon ohne fixen Schlafplatz. Am Donnerstag wird amnesty international das Gelände überprüfen. Das Ansuchen ist bereits vom Innenministerium genehmigt worden.

Volksanwaltschaft: Lage "unerträglich"

Heftige Kritik an der Lage im überfüllten Erstaufnahmezentrum kam am Mittwoch erneut von der Volksanwaltschaft. Vor allem für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge seien die Zustände "unerträglich", sagte Volksanwalt Günther Kräuter (SPÖ).

Rechtsanwalt Franjo Schruiff, der als Kommissionsleiter der Volksanwaltschaft das Lager am 15. Juli inspiziert hat, befürchtet, dass das Lager nach dem Aufnahmestopp zur "Falle" werden könnte. Weil die Länder nun die Flüchtlinge direkt übernehmen, könnte es passieren, dass die in Traiskirchen verbleibenden Menschen dort "gefangen" bleiben.

Schruiff zeichnete gemeinsam mit Kräuter und dem Arzt Siroos Mirzaei ein schauerliches Bild der Lage im Lager. Mängel gebe es bei der Hygiene und der medizinischen Nachsorge. So habe man einen jungen nierenoperierten Mann mit aus seinem Körper heraushängenden Schlauch vorgefunden, dem erst nach Intervention des achtköpfigen Teams der Volksanwaltschaft geholfen wurde. Die Hürde sei hier die Anmeldung zur Behandlung: Wer nicht Deutsch oder Englisch könne, schaffe es nicht zu dem durchaus engagierten und vielsprachigen medizinischen Team.

Anahita Tasharofi, Gründerin des Vereins "Flucht nach Vorn", berichtete von der Verzweiflung der traumatisierten Jugendlichen. Immer wieder gebe es Selbstmordversuche und Selbstverletzungen. Tagsüber hätten sie nichts anderes zu tun, als über den Horror ihrer Flucht nachzudenken. Nachts müssen sie im Freien schlafen, ergänzte Schruiff. "Da fressen sie die Gelsen."

Mikl-Leitner empfiehlt Traglufthallen

VP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hat den Ländern am Mittwoch sogenannte Traglufthallen zur Unterbringung von Asylwerbern empfohlen. Bei einem Treffen mit ihrem bayerischen Amtskollegen Joachim Herrmann (CSU) besichtigte sie eine solche nahe München. Die mobilen kuppelartigen Quartiere seien "eine sehr gute Alternative zu festen Quartieren", sagte die Ministerin.

Bis zu 500 Flüchtlinge finden in der Traglufthalle in Taufkirchen Platz, die Bayern haben sich allerdings für eine Limitierung auf 300 entschieden. Seit Ende Juli steht die Halle, vergangene Wochen zogen dort die ersten 30 Flüchtlinge ein. Bis zu 20.000 Quadratmeter können diese Notunterkünfte abdecken. Die Kosten betragen neun Euro am Tag pro Platz. Auch die Aufstellung und Inbetriebnahme der Hallen nimmt nur wenige Tage in Anspruch.

Für Mikl-Leitner garantiert die Halle aufgrund der mobilen Elemente im Inneren - allen voran Schlafkojen und sanitäre Anlagen - eine gewisse Privatsphäre für die Flüchtlinge. Ihre durchwegs positiven Eindrücke will sie nun den Bundesländern schmackhaft machen. Beim Arbeitstreffen in Bayern waren Vertreter aus dem Burgenland, Salzburg und Wien bereits dabei. Die Innenministerin sieht in den Traglufthallen auch eine eindeutige Verbesserung zu Containern und vor allem Zelten.

Für das Aufstellen einer solchen Traglufthalle ist noch eine Baugenehmigung erforderlich. Mit dem von der Regierung geplanten Verfassungsgesetz für ein Durchgriffsrecht bei Widmungen zur Schaffung von Quartieren könnte aber auch bald der Bund im Notfall solche Hallen errichten. Noch hofft man im Innenministerium auf Initiativen der Länder, aber auch von privaten Grundstücksbesitzern.

(APA/Red.)

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