Peter McDonald: "Anreize statt Strafe mit Fast-Food-Steuern"

Sozialversicherungschef Peter McDonald
Sozialversicherungschef Peter McDonaldDie Presse
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Sozialversicherungschef Peter McDonald drängt auf mehr Eigenverantwortung der Bürger. Statt des Verbots des täglichen Schnitzels setzt er auf Änderungen im Leben der Menschen nach Gesundheitschecks beim Arzt.

Die Presse Sie kommen aus der Versicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft (SVA). Für Gewerbetreibende und Beamte gibt es Selbstbehalte auch beim Arztbesuch. Warum nicht auch mehr Eigenverantwortung durch Selbstbehalte auch im ASVG?

Peter McDonald: Das Wort Eigenverantwortung klingt in den Ohren mancher Österreicher eher, als würde der Staat einen Teil seiner Verantwortung abschieben.

Ist das nicht so?

Es ist umgekehrt. Wir haben über Jahrzehnte von den politisch Verantwortlichen suggeriert bekommen: Gebt eure Verantwortung ab, beim Staat ist sie in besten Händen. Das war eine bequeme, eine kostenintensive und aus meiner Sicht eine vor allem unverantwortliche Lösung.

Warum?

Nur wenn wir eine neue Verantwortungskultur entwickeln, sodass wir die Verantwortung, die der Staat, die Gesellschaft und der Einzelne übernehmen, besser austarieren, gelingt es uns, Ergebnisse zu verbessern. Eigenverantwortung ist ein ganz positiver Wert. Selbst Verantwortung zu übernehmen ist die Basis und damit ein Grundwert unserer Demokratie.

Das bedeutet für die Sozialversicherung?

Es geht darum, ein Bewusstsein zu schaffen, dass ich selbst der Erste bin, der einen Beitrag leisten kann, ob ich länger gesund bleibe. Den Betroffenen mehr zum Beteiligten zu machen, indem Arzt und Patient Verantwortung gemeinsam übernehmen. Wir müssen die Österreicher kompetenter machen, was ihre eigene Gesundheit betrifft. Damit werden wir einen Mehrwert für die Gesellschaft und mehr Lebensqualität für den Einzelnen generieren. Denn nichts sollte uns so kostbar sein, wie unsere eigene Gesundheit zu erhalten.

Wollen Sie das SVA-Modell auf die gesamte Sozialversicherung übertragen?

Man muss einmal die Diskussion beginnen, mehr Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen. Lösungen gibt es dann unterschiedliche. Wir wissen heute, dass der Österreicher eineinhalb Jahre weniger lang gesund ist als der Durchschnittseuropäer. Mit der Philosophie, ich gehe zum Arzt, wie ich ein Auto in die Werkstatt bringe, lasse mich reparieren und verändere danach nichts, wird man dessen nicht Herr werden.

Was will die Sozialversicherung konkret dagegen tun?

Es ist notwendig, dass wir nicht nur zur Vorsorgeuntersuchung gehen, sondern dass man gemeinsame Ziele mit dem Arzt vereinbart und sich für die Einhaltung dieser gemeinsamen Vereinbarung auch engagiert. Da bin ich mit der Ärztekammer im Gespräch, den Gesundheitscheck weiterzuentwickeln.

Was hat der Einzelne davon?

Wir haben schon mehr als eine Million Menschen, die eine Vorsorgeuntersuchung machen. Die Menschen interessieren sich bereits heute mehr für ihre Gesundheit. Aufgrund der SVA-Erfahrungen zeigt sich, dass jene, die sich mehr engagieren, länger gesund sind und weniger Spitalsaufenthalte haben.

Soll das mit niedrigeren Krankenbeiträgen kombiniert sein?

Das ist eine Diskussion in einem zweiten Schritt. Vorerst wollen wir den Gesundheitscheck mit Zielen, die mit dem Arzt vereinbart werden, schaffen.

Wann soll dieser erste Schritt erfolgen?

Ich habe die Ärztekammer zu Neuverhandlungen über Vorsorgeuntersuchungen eingeladen. Da gibt es noch die eine oder andere Diskrepanz, weil die Ärztekammer vorher über das Geld reden wollte.

Stichwort Geld. Bisher macht der Aufwand der Krankenversicherung für die Vorsorge nur einen Bruchteil der Gesamtkosten aus.

Wir haben einen Schwerpunkt auf der Reparaturmedizin, das ist aus der Geschichte heraus gewachsen. Wir müssen das ganze System auf den Kopf stellen, Gesundheit fördern und Krankheiten verhüten.

Zurück zur Bewusstseinsänderung. Salopp formuliert: Wollen Sie den Österreichern den Schweinsbraten vergällen?

Nein, das ist genau der falsche Ansatz, wenn man von Stärkung der Selbstverantwortung und der Wahlfreiheit des Einzelnen spricht. Im Moment hat man ohnedies das Gefühl, die Rahmenbedingungen werden stärker eingeschränkt und eine Verbotsgesellschaft gewinnt die Überhand.

Was ist Ihre Konsequenz?

Da sollte man gegenlenken und auch Kinder wieder lehren, mehr Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.

Das tägliche Schnitzel verbieten?

Nein. Da bin ich dagegen. Da spreche ich mich ganz klar gegen eine Straf- und Bevormundungsgesellschaft aus. Ich bin klar gegen ein Schnitzelverbot und klar gegen Fast-Food-Steuern. Aber ich bin klar dafür, dem Einzelnen mehr zu vermitteln, dass jeder selbst den ersten Beitrag für seine Gesundheit leistet. Das ist sicher ein Thema, mit dem man auch stärker bei Kindern ansetzen muss. In den 1980er-Jahren ist es gelungen, das Thema Umweltschutz über die Kinder in die Haushalte zu bringen. Es ist aus dem kulturellen Verständnis des Österreichers nicht mehr wegzudenken, dass man Papier und Restmüll trennt.

Sie wollen verstärktes Gesundheitsbewusstsein, das andere Extrem sind Sportarten mit hoher Verletzungsgefahr. Sollen die Sportler durch einen Extrabeitrag zur Kasse gebeten werden?

Das ist ein schwieriges Thema. Ich halte nichts von einem Malus oder Bestrafung für Einzelne, aber sehr viel davon, Anreize für gesellschaftlich erwünschtes Verhalten zu setzen. Wer sich für seine Gesundheit engagiert, soll einen Benefit erhalten.

Zurück zu meiner Eingangsfrage: Gewerbetreibende und Beamte zahlen jetzt schon einen Selbstbehalt. Wenn man will, dass die Bevölkerung bewusster überlegt, ob sie Gesundheitseinrichtungen nützt, müsste man überall einen Selbstbehalt einführen.

Ich halte es für einen völlig verkürzten Zugang, die Eigenverantwortung auf Selbstbehalte zu reduzieren. Erstens würde es viel zu kurz greifen, das Thema der Selbstbeteiligung auf eine Kostenbeteiligung zu reduzieren. Zweitens verabschieden sich dann die politischen Gruppierungen in den ideologischen Schützengräben, und alles bleibt beim Alten.

ZUR PERSON

Peter McDonald (42) ist seit Herbst des Vorjahres Vorstandsvorsitzender im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, der Dachorganisation von Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung. Der gebürtige Oberösterreicher war geschäftsführender Obmann der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft (SVA) . Dort setzte er ein Modell um, bei dem Versicherte mit dem Arzt ein Gesundheitsziel vereinbaren. Bei Erreichen sinkt der Selbstbehalt um 20 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2015)

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