Quartiersuche: Die Asylreform trifft auf Widerstand

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Abwartend, skeptisch, ablehnend: Länder und Gemeinden haben Probleme mit dem Durchgriffsrecht des Bunds. Und auch im Parlament läuft alles langsamer als vorgesehen.

Wien. In den Ländern und Gemeinden hält sich die Freude über die asylpolitischen Reformpläne der Bundesregierung in engen Grenzen. Skepsis hier, Angst dort, mitunter gibt es auch offenen Widerstand.

Über eine Volksbefragung denkt zwar nur die rot-blaue Landesregierung im Burgenland nach. Aber mit einer gesetzlichen Erlaubnis für das Innenministerium, Flüchtlinge ohne Zustimmung der Bürgermeister in Gemeinden unterbringen zu können, hat nicht nur Landeshauptmann Hans Niessl („Eingriff in die Autonomie der Gemeinden“) so seine Probleme.

Bezirksquoten könnten eine Richtschnur sein, ein eigenes Gesetz wolle er nicht, sagte der steirische Landeshauptmann, Hermann Schützenhöfer (ÖVP), am Montag im ORF-Radio. Und wenn schon ein Gesetz, dann ein befristetes. Wobei das ohnehin vorgesehen ist. Die Frage ist, wie lang die Frist dauert. Von drei bis zehn Jahren hatten Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner gesprochen. Man will die Frage aber dem Parlament überlassen. So oder so, meinte Schützenhöfer, werde die Umsetzung schwierig. Es gebe Bürgermeister in der Steiermark, die sich um Flüchtlingsunterkünfte bemühen, es gebe aber auch Gemeinden, „da kann ich machen, was ich will – da bekomme ich keine Quartiere zusammen“.

Sein Partei- und Amtskollege Wilfried Haslauer hat in Salzburg ähnliche Erfahrungen gemacht. Er sprach am Montag, im Interview mit der Austria Presse Agentur, von einem „schweren Eingriff in die Kompetenzen der Länder“. Aber in Ausnahmesituationen wie derzeit sei ein Durchgriffsrecht für den Bund dann doch vertretbar.

Allerdings müsse das Maß stimmen – was offenbar der Fall sei, so der Landeshauptmann. Betroffen sind nämlich nur Gemeinden ab 2000 Einwohnern. Und als Quartiere kommen ausschließlich Gebäude infrage, die der Bund besitzt oder gemietet hat. „Wenn es dann nicht zu einem Unterbringungsexzess kommt – etwa bei 3000 Einwohnern 1000 Flüchtlingen –, sage ich okay.“

Ortschef verweigert Widmung

Was bereits ein Exzess ist und was noch nicht, ist jedoch eine Frage der Definition. In der 13.000-Einwohner-Gemeinde Wals-Siezenheim nahe Salzburg will man verhindern, dass das Innenministerium jene 250 Zeltplätze, die am Wochenende auf dem Areal der Schwarzenbergkaserne errichtet wurden, in den nächsten Tagen durch Container ersetzt. Er werde weder der Umwidmung zustimmen noch die Baugenehmigung erteilen, kündigte Bürgermeister Joachim Maislinger an. Das Durchgriffsrecht des Bunds gelte noch nicht. „Aber bei mir praktiziert man es schon.“

Die Betreuung der Asylwerber in Wals-Siezenheim hat vorübergehend das Bundesheer übernommen. Dabei handelt es sich nicht um einen Assistenzeinsatz, sondern eine Unterstützungsleistung, die dem Innenministerium auch verrechnet wird. Über einen bundesweiten Asyl-Assistenzeinsatz des Heers – zwecks Entlastung der Polizei – wird zwischen den beiden Ministerien noch verhandelt.

Im Kärntner Althofen (Bezirk St. Veit) sind in der Nacht auf Montag die ersten 54 Asylwerber eingetroffen. Bürgermeister Alexander Benedikt weiß noch nicht so recht, wie es weitergeht: „Erst war von 35 Zelten für bis zu 280 Personen die Rede, geworden sind es 50 Zelte für bis zu 400 Personen.“ Vorerst sollen aber nur 280 Flüchtlinge in das erste Zeltlager auf privatem Grund kommen. Immerhin: Die Bevölkerung zeige sich sehr hilfsbereit, berichtet der Bürgermeister.

Probleme gibt es auch im parlamentarischen Prozedere. Das Gesetz sei noch nicht fertig ausformuliert, es werde noch verhandelt, teilte die Regierung am Montag mit. Eigentlich hätte es nächsten Montag in einer Sondersitzung des Nationalrats beschlossen werden sollen. Ob der Termin hält, ist offen.

Grund dafür dürften die Grünen sein, die SPÖ und ÖVP für einen Beschluss brauchen, zumal das Durchgriffsrecht eine Zweidrittelmehrheit erfordert. Einen Gesprächstermin habe man noch nicht gefunden, weil die Grünen bis Montag auf das ORF-„Sommergespräch“ mit Parteichefin Eva Glawischnig fokussiert gewesen seien (siehe unten), hieß es aus Koalitionskreisen. Grundsätzlich haben sie aber Zustimmung signalisiert. Das Gesetz soll unmittelbar nach dem Beschluss in Kraft treten. (pri)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2015)

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