Flüchtlinge sollen auch in Gymnasien kommen

Susanne Brandsteidl
Susanne Brandsteidl Die Presse
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Wiens Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl will Studenten und Pensionisten als Deutschlehrer einsetzen.

Die Presse: In Wien werden Flüchtlinge ab Herbst schulübergreifend in eigene Gruppen zusammengefasst. Diese Gruppen erhalten einen eigenen Stundenplan und lernen so maximal ein Jahr lang intensiv Deutsch, bevor sie komplett in einen regulären Klassenverband wechseln. Weshalb wehren Sie sich dagegen, das als Deutschklassen für Flüchtlinge zu bezeichnen?

Susanne Brandsteidl: Ich bin auf den Terminus Kurs geschwenkt und werde weiter darauf bestehen, weil wir davon ausgehen, dass die Kinder diese Neu-in-Wien-Kurse unterschiedlich lang besuchen – nicht von September bis Schulschluss. Außerdem müssen die Kinder den Kurs nicht an fünf Tagen die Woche besuchen. Sie werden eine ganz normale Stammklasse haben – auch wenn sie anfangs die meiste Zeit im Kurs sind.

Den Begriff Klassen haben nicht die Medien erfunden. Er kam aus dem Stadtschulrat selbst.

Der Begriff kam von einer Inspektorin. Und Inspektoren denken ein bisschen anders als politisch Verantwortliche – auch von ihrer Terminologie her. Es ist ganz natürlich, dass eine Inspektorin in Kontingenten und Klassenschülermindest- und -höchstzahlen denkt. Und einen Lehrer gibt es eben erst dann, wenn es sich um eine Klasse handelt.

Ist es nicht vielmehr so, dass die Inspektorin die Dinge beim Namen nennt, während Sie als politisch Verantwortliche jedes Wort auf die Waagschale legen?

Nein.

Bildungsministerin Heinisch-Hosek sagte, dass Deutschintensivkurse maximal vier Wochen dauern sollten. Da sind Sie offenbar anderer Meinung?

Ja, bin ich.

Die Vorstellung, dass Kinder am besten von anderen – also im normalen Klassenverbund – lernen, teilen Sie also nicht?

Doch, die teile ich schon. Die Kurse kann man aber nicht generell auf vier Wochen beschränken. Jedes Kind muss unterschiedlich lang gefördert werden.

Wie finanzieren Sie diese Kurse?

Das ist ganz klar: Es braucht eine Sonderdotierung. Wir müssen das völlig von dem bisherigen Lehrerverrechnungssystem lösen. Bislang hat man mit dem Stichtag 1.Oktober geschaut, wie viele Schüler in der Klasse sind. Danach erfolgte meine Verrechnungsmöglichkeit mit dem Bund. Kamen Schüler unter dem Schuljahr dazu, gab es dafür kein Geld.

Wurde vom Bildungsministerium diesbezüglich schon etwas in Aussicht gestellt?

Nein, gar nicht. Es wird sicher zu einer Pro-Kopf-Verrechnung kommen müssen.

Wie viele Flüchtlinge erwarten Sie zu Schulbeginn in Wien?

Wir wissen es nicht. Es gibt auch gar keine ungefähren Schätzungen.

Mit irgendwelchen Zahlen müssen Sie doch planen. Sie brauchen ja auch Lehrer.

Die Pädagogen haben wir.

Und wer wird unterrichten?

Jeder, den wir haben. Schon bisher haben wir Leute aus der Erwachsenenbildung aufgenommen, die eine Ausbildung in Deutsch als Zweitsprache haben. Außerdem werden wir pensionierte Lehrer und Lehramtsstudenten einsetzen. Ab nächster Woche sind bei mir wieder alle Abteilungen besetzt. Dann schauen wir, mit wie vielen Kindern zu rechnen ist, und beginnen mit der Sichtung. Wir müssen ja wissen, mit welcher Vorbildung die Flüchtlinge in die Schule kommen.

Wie kann man sich das vorstellen?

Die Kinder haben ja Zeugnisse aus der Heimat. Außerdem haben wir ein Sprachförderzentrum, das durch Tests herausfinden kann, auf welchem Level ein Kind ist. Wobei: Eine Entwicklungsprognose kann man bei einem traumatisierten Zwölfjährigen kaum fällen.

In den Kursen werden also Psychologen und Sozialarbeiter gebraucht – davon gibt es in den Schulen ja schon jetzt zu wenig.

Die braucht es ganz sicher. Ich gehe leider davon aus, dass wir vom Bund nicht wirklich schnell Unterstützung bekommen. Das Innenministerium hat derzeit andere Probleme, als uns Psychologen zu schicken.

Werden Flüchtlinge nur in Volksschulen und NMS geschickt oder auch in AHS?

Alle haben sich darauf einzustellen − auch die Gymnasien. Sehr gebildete Flüchtlinge werden natürlich anders behandelt. Wer etwa in Aleppo in eine internationale Schule gegangen ist und gut Englisch spricht, den wird man – nur weil er nicht Deutsch spricht – nicht von Montag bis Freitag in einen Neu-in-Wien-Kurs stecken. Wir haben bilinguale Schulen, und dort können diese Kinder gleich integriert werden.

Immer wieder kommt in Österreich die Forderung nach einer Deutschpflicht auf dem Schulhof auf. Was halten Sie davon?

Es wird in der Pause automatisch die Sprache gesprochen, die alle verstehen – in der Regel also Deutsch. Deshalb halte ich das für eine freiheitliches Scheinproblem.

Sind Sie angesichts des Flüchtlingsstroms bestrebt, noch mehr Lehrer mit Migrationshintergrund zu finden?

Ja. Angeblich gibt es unter den syrischen Flüchtlingen einige Lehrer. Natürlich würden wir diese – wenn sie alle Voraussetzungen erfüllen – mit Sondervertrag einsetzen.

Als Muttersprachenlehrer oder als normale Fachlehrer?

Das kommt auf das Deutschlevel drauf an. Da gibt es strenge Regeln.

ZUR PERSON

Susanne Brandsteidl (SPÖ) ist amtsführende Stadtschulratspräsidentin in Wien. Die 51-Jährige ist promovierte Sprachwissenschaftlerin und hat einst

an AHS unterrichtet. Als bekannt wurde, dass Wien eigene Klassen für Flüchtlinge plant, dementierte sie die Nachricht, die aus den eigenen Reihen kam.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2015)

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