Bund nimmt Machtkampf mit den Ländern auf

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Nicht nur beim Thema Asyl macht die Regierung mit einem Verfassungsgesetz Druck. Auch bei Budget- und Finanzfragen versucht der Bund, die Macht der Länder zunehmend einzuschränken.

Wien/Traiskirchen. Bundespräsident Heinz Fischer hat am Mittwoch unangekündigt in der Asyldebatte einen öffentlichkeitswirksamen Schritt gesetzt: Er hat das Flüchtlingslager Traiskirchen besucht – und dabei gleich die Regierungsspitze mitgenommen. Die Situation sei in jüngster Zeit immer schwieriger geworden, weshalb er die Innenministerin ersucht habe, das Lager wieder einmal besuchen zu können, um einen persönlichen Eindruck zu erhalten, so der Präsident danach. Er habe auch vorgeschlagen, dass Bundeskanzler und Vizekanzler mitkommen.

Bundespräsident und Regierungsspitze traten danach mit der gleichen Botschaft an die Öffentlichkeit: Sie warben für das geplante Verfassungsgesetz, das dem Bund ein Durchgriffsrecht bei der Schaffung von Asylquartieren einräumt, wenn die Länder säumig sind. Das Durchgriffsrecht sei vernünftig, ihm wäre sogar lieber, wenn es früher als am 1. Oktober in Kraft treten könnte, sagte Fischer.

Bundeskanzler Werner Faymann, der die Situation in Traiskirchen nach dem Lokalaugenschein als „humanitär nicht tragbar“ bezeichnete, gab dafür direkt den Ländern die Schuld: „Jedes Bundesland, das seine Quote nicht erfüllt, trägt Mitverantwortung, dass Menschen auf der Straße, in Zelten oder Bussen leben müssen.“ Und auch Vizekanzler Mitterlehner unterstrich, dass das Durchgriffsrecht eine der notwendigen Maßnahmen sei, um die große Herausforderung zu lösen.

Für die Bundesländer, die das geplante Verfassungsgesetz eher widerwillig oder – wie das Burgenland – gar nicht akzeptieren, ist die Botschaft klar: Die Regierungsspitze ist mit Unterstützung des Bundespräsidenten bereit, gegen Länderegoismen vorzugehen und die Bundesländer an ihre Verpflichtungen zu erinnern. Aktiv den Machtkampf mit den Ländern aufzunehmen, das hat die Regierung jahrzehntelang nicht versucht. In den vergangenen Monaten hat sich das geändert: Schon vor dem Asylverfassungsgesetz gab es Versuche in diese Richtung.

Speerspitze Schelling

Federführend dabei war bisher der Finanzminister. Hans Jörg Schelling hat mit seinem Beschluss, die Hypo-Nachfolgegesellschaft Heta nicht weiterzufinanzieren, nicht nur die Gläubiger vor den Kopf gestoßen, sondern auch die Bundesländer. Denn sie hafteten über die Pfandbriefstelle für 1,2 Milliarden Euro. Den Wunsch mancher Bundesländer, der Bund möge das doch bitte finanzieren, hat Schelling kühl lächelnd abgewehrt und die Länder auf die Verpflichtungen hingewiesen, die sie selbst übernommen haben.

Ebenfalls als Folge der Heta-Pleite hat Schelling in die Autonomie eines Bundeslandes eingegriffen: Kärnten kann sich auf dem Kapitalmarkt nicht mehr finanzieren. Der Bund hat zwar über die Bundesfinanzierungsagentur ausgeholfen und dem Land die notwendige Liquidität verschafft, das aber erst nach langen Verhandlungen, in denen Kärnten ein strikter Sparplan verordnet wurde. Ähnliches könnte bald auch anderen Bundesländern blühen, die auf dem Kapitalmarkt zusehends schlechtere Konditionen erhalten, weil die Problematik der Kärntner Landeshaftungen die Anleger verschreckt. Auch hier könnte der Bund künftig die Finanzierung mit der Forderung nach Reformen junktimieren.

Finanzausgleich als härtestes Match

Das schwerste Match steht Schelling in den kommenden Monaten bevor: Dann wird über einen neuen Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verhandelt, bei dem es zu einem guten Teil auch um die Machtverteilung geht. Soll beispielsweise das Geld wie bisher mittels einer Kopfquote an die Länder verteilt werden oder an die Erfüllung konkreter Aufgaben gebunden sein? Letzteres würde dem Finanzminister weitgehenden Einfluss auch auf die Bundesländer ermöglichen.

Weitere Infos: www.diepresse.com/asyl

Auf einen Blick

Asyl. Bundespräsident Heinz Fischer besuchte am Mittwoch gemeinsam mit der Regierungsspitze das Flüchtlingslager Traiskirchen. Der Bundespräsident, der Kanzler und der Vizekanzler warben dabei um das Durchgriffsrecht des Bundes bei der Errichtung von Asylquartieren. Das ist nicht der erste Versuch der Regierung, in die Autonomie der Länder einzugreifen, auch Finanzminister Schelling hat das in den vergangenen Monaten versucht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2015)

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