Werner Faymanns letzte Strategie

ASYL-PRESSEKONFERENZ: FAYMANN
ASYL-PRESSEKONFERENZ: FAYMANNAPA/HERBERT NEUBAUER
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Trotz Ablehnung in der Öffentlichkeit und Teilen der SPÖ, trotz Stillstands und drohender Niederlagen arbeitet Werner Faymann konsequent am Machterhalt: Die Gewerkschaft ist sein letztes Aufgebot.

Vermutlich wäre jeder andere in dieser Situation schon Geschichte. Wirtschaftliche Stagnation als Dauerzustand, steigende Arbeitslosigkeit, ein bedrohlich wachsender Schuldenberg, kaum Leadership, wie gerade in der Flüchtlingskrise zu beobachten, fragwürdiges Krisenmanagement bei der Hypo-Alpe-Adria-Verstaatlichung, interne Aufstände, zwei verlorene Landeshauptmannsessel und, und, und.

Dennoch ist Werner Faymann noch immer Bundeskanzler und Parteichef, regiert im siebten Jahr. Er ist jetzt schon länger Kanzler als Josef Klaus, Fred Sinowatz, Viktor Klima, Alfons Gorbach und Alfred Gusenbauer – in der Reihenfolge der Amtsdauer von oben nach unten.

Das mag an Faymanns hoher emotionaler Intelligenz im Umgang mit seinen engsten Mitarbeitern und den verbliebenen mächtigen Spielern in der Partei liegen. Gemeinsam mit seinem machtpolitisch talentierten Kanzleramtsminister, Josef Ostermayer, und gut vernetzten Mitstreitern wie Nationalratspräsidentin Doris Bures wurde ein enges parteiinternes Netzwerk in die wichtigen Wiener Bezirke und vor allem in die Gewerkschaft geknüpft und über Jahre gepflegt – zuletzt besonders intensiv.

SPÖ-Landesparteien geschwächt

Denn die neue Schwäche der SPÖ wird ein wenig zu Faymanns Stärke. In den Ländern existieren kaum noch intakte oder machtbewusste Organisationen. Von Vorarlberg über Innsbruck und Salzburg bis St.Pölten kann kein Landesparteichef mehr eine Rebellion anführen. Die Steiermark ging spektakulär verloren, in Oberösterreich ist der zweite Platz offenbar bald weg. Das dazugewonnene Kärnten ist ein schwerer Sanierungsfall, das Burgenland beschäftigt sich mit Rot-Blau. Bleibt nur noch Wien, wo Michael Häupl in seine letzte große Schlacht zieht und wegen der Flüchtlingskrise, der allgemeinen SPÖ-Großwetterlage, einer bisher matt wirkenden Mannschaft sowie inhaltlicher Fehler nicht gerade die besten Karten hat.

Fällt Wien oder muss sich die Wiener SPÖ nach einer Wahlniederlage mit sich selbst beschäftigen, gibt es nur einen Machtfaktor in der SPÖ: die Gewerkschaft. Das weiß Faymann nur allzu gut. Der ÖGB ist parteiintern auf dem Zenit seiner Macht, stellt vier Minister (Rudolf Hundstorfer, Sabine Oberhauser, Alois Stöger, Gerald Klug). Fast selbstverständlich erklärte Faymann das Steuermodell des ÖGB zu dem der SPÖ. Sein Vorgänger, Alfred Gusenbauer, hatte im Fahrwasser des Bawag-ÖGB-Skandals die Gewerkschaft noch aus dem SPÖ-Klub im Nationalrat verbannt und von der „solidarischen Hochleistungsgesellschaft“ philosophiert.

Im krassen Gegensatz dazu werden die Bande zwischen Kanzleramt und Gewerkschaftszentrale wieder eng geknüpft. Sollte Hundstorfer Präsidentschaftskandidat oder Notbürgermeister werden, ist seine Position wieder versprochen: ÖGB-Chef Erich Foglar kann wählen, wen er schickt – natürlich auch sich selbst. Die Forderung nach Einführung einer Erbschaftssteuer bleibt aufrecht, egal, was die ÖVP meint. Und: Der Kampf für die Ausweitung der Arbeitnehmerrechte wird auf Punkt und Beistrich von der SPÖ unterstützt. Das SPÖ-Sommerfest am Freitag war dann auch das Gewerkschaftsfest.

AUF EINEN BLICK

In Oberösterreich wird am 27.September ein neuer Landtag gewählt, in Wien am 11.Oktober ein neuer Gemeinderat. Beiden Regierungsparteien im Bund, der SPÖ und der ÖVP, werden dabei Verluste prophezeit. Profitieren dürfte die FPÖ, ihr kommt auch das derzeit beherrschende Thema, die Flüchtlingskrise, zupass. Sowohl Kanzler Werner Faymann als auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner werden diese Wahlen aber politisch überleben. Um das politische Überleben geht es hingegen für die Neos. Sollten sie nicht in den Wiener Landtag kommen, dann sieht es für ihre Zukunft nicht sehr rosig aus. Derzeit spricht aber alles für einen Einzug.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2015)

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