Saddams "Freund": Als Waldheim die österreichischen Geiseln heimholte

25. August 1990: Der damalige österreichische Bundespräsident Kurt Waldheim trifft Saddam Hussein in Badgdad.
25. August 1990: Der damalige österreichische Bundespräsident Kurt Waldheim trifft Saddam Hussein in Badgdad.(c) APA (Robert Jäger)
  • Drucken

Am 25. August 1990 holte Bundespräsident Waldheim 95 Österreicher aus dem Irak heim. Vor allem die internationale Kritik daran war vehement.

Als irakische Truppen in der Nacht zum 2. August 1990 überfallsartig in das Öl-Emirat Kuwait einfallen, fallen damit auch bis zu 10.000 Ausländer in die Hände des irakischen Diktators Saddam Hussein. Tatsächlich werden vor allem Amerikaner, Briten, Deutsche und Franzosen an wichtige strategische Punkte verschleppt. Von der größten Geiselnahme seit dem Zweiten Weltkrieg ist die Rede, obwohl zu Beginn aus diplomatischen Gründen niemand von Geiseln sprechen will. Saddam Hussein selbst nennt sie "liebe Gäste". Erst US-Präsident George Bush gibt am 20. August jegliche Diplomatie auf: "Wie immer man sie nennen mag, sie sind in Wirklichkeit Geiseln". Unter ihnen befinden sich auch rund 100 Österreicher.

Offenbar hatte Hussein die Ausländer in Kuwait von Beginn an in seine Pläne einbezogen, um möglichen internationalen Druck abzuschwächen. Dennoch steigt dieser auf das immer stärker isolierte Regime im Irak von Tag zu Tag. Der UN-Sicherheitsrat fordert den sofortigen Abzug aus Kuwait bei sonstiger Gewaltanwendung. In dieser angespannten Lage reist der österreichische Bundespräsident Kurt Waldheim, nach Vermittlung des jordanischen Königs Hussein, in den Irak - als erster westlicher Gast seit Beginn der Golfkrise drei Wochen zuvor.

Saddam Hussein: "Waldheim ist ein Freund"

Beim ersten Gespräch gibt sich Hussein ungezwungen. "Was, Sie wollen heute abend schon fahren", gibt sich der Diktator gegenüber Waldheim überrascht, wie "Presse"-Redakteur Gerhard Bitzan, der mit vor Ort war, berichtet. "Das ist schade. Ich hätte ihnen gerne Bagdad gezeigt. Sie würden es nicht wiedererkennen." Schließlich deutet Hussein nach einer improvisierten Sightseeing-Tour gegenüber den mitgereisten Journalisten an: "In Arabien lässt man einen Gast doch nicht ohne Geschenk nach Hause fahren." Kurz darauf kann Waldheim verkünden: "Alle Österreicher dürfen ausreisen. Und zwar heute noch."

Für die österreichische Diplomaten beginnt eine hektische Zeit. Zwar befinden sich bis zu 30 Österreicher in der Botschaft in Bagdad, doch ein Großteil der Landsleute befindet sich über das Land verteilt, teils in abgelegenen Gebieten. Einige versuchen vergeblich seit Tagen, im Norden des Iraks, in Mossul, über die türkische Grenze auszureisen. Letztlich sind es 95 Österreicher, die sich am Bagdader Flughafen versammeln und den Bundespräsidenten mit Ovationen empfangen. Zum Abschied meint Hussein, Waldheim sei nicht nur ein Gast, "er ist ein Freund."

Vorwurf: Waldheim hat sich instrumentalisieren lassen

ÖVP-Außenminister Alois Mock sieht den Erfolg einzig und allein in der Person Kurt Waldheims, des ehemaligen UN-Generalsekretärs (1972-1981): "Der Grund für diesen Erfolg ist das außergewöhnliche Prestige Waldheims in der arabischen Welt." Die USA beurteilen Österreichs diplomatische Mission zurückhaltend. Die Freilassung der Österreicher sei "ein Versuch, die weltweite Verurteilung zu umgehen". Sicherheitsberater Brent Scowcroft meint zudem, "Waldheim hätte mehr tun können". Auch der belgische Außenminister verurteilt den Alleingang Waldheims: "Wenn es um Geiseln geht, muss die Solidarität unter den betroffenen Ländern total sein." In Frankreich ist die Empörung ebenfalls groß.

Waldheim beteuert, es sei kein Alleingang gewesen. Er habe öfter darauf hingewiesen, dass Österreich die UN-Sanktionen gegen den Irak weiter unterstütze. Es habe auch keine Bedingungen gegeben. Zudem habe er sich für eine Ausreisegenehmigung für alle im Irak festgehaltenen Ausländer eingesetzt. "Von einem Ausscheren aus der Solidarität der westlichen Staaten kann nicht die Rede sein", so Waldheim. Dennoch wird er, der aufgrund seiner NS-Vergangenheit selbst international isoliert und in den USA geächtet ist, den Vorwurf nicht los, er habe sich von einem Diktator politisch instrumentalisieren lassen.

Am 6. Dezember ist die letzte Geisel frei

Tatsächlich bricht Waldheim mit seiner Aktion einen Bann. In der Folge reisen der schwarze US-Bürgerrechtskämpfer Jesse Jackson, Ex-Boxstar Muhammad Ali, der deutsche Ex-Kanzler Willy Brandt, der englische Ex-Premier Edward Heath und der japanische Ex-Regierungschef Nakasone mit Geiseln aus dem Irak ab, nachdem sie ebenfalls medienwirksam empfangen werden.

Erst am 6. Dezember 1990 lässt Saddam Hussein alle verbliebenen Geiseln frei. Am 15. Jänner 1991 läuft dann das Ultimatum des UN-Sicherheitsrats ab, kurz darauf beginnt die militärische Befreiung Kuwaits durch eine US-geführte Koalition.

>>> Video: Waldheim holt Österreicher heim

(Von Peter Huber)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.