Sozialreform: Ausweg mit Arbeitszeit-Sparbuch

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REGIERUNGSKLAUSUR IN SCHLADMING: PK LEITL/FAYMANN/MITTERLEHNER/FOGLAR(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Die ÖVP-Arbeitnehmer attackieren Minister Hundstorfer: Starre Fronten beim Pensionsantritt und längere Auszeiten sollen endlich mit Zeitwertkonto durchbrochen werden.

Wien/Linz. Die gegenseitigen Hinhaltemanöver der Sozialpartner bei einer sechsten Urlaubswoche für alle nach 25 Arbeitsjahren, die Blockade des Bonus-Malus-Systems für Beschäftigte über 50Jahren und das Ignorieren der sich ändernden Arbeitswelt hängen den schwarzen Arbeitnehmern (ÖAAB) langsam zum Hals heraus. Der ÖVP-Bund startet daher ausgehend von Oberösterreich nun einen neuen Anlauf, damit Arbeitszeit und Überstunden für längere Auszeiten vom Beruf oder für einen früheren Pensionsantritt gesammelt werden können. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) solle die Handbremse lösen und das von ÖAAB-Obfrau Innenministerin Johanna Mikl-Leitner schon seit Langem geforderte Zeitwertkonto endlich in die Tat umsetzen, verlangt der ÖAAB.

Zwischen dem SPÖ-dominierten Gewerkschaftsbund und der von der ÖVP beherrschten Wirtschaftskammer herrscht, wie „Die Presse“ erst am Samstag berichtet hat, in einer Reihe von Themen seit Monaten völliger Stillstand: bei der von den Unternehmen geforderten flexibleren Arbeitszeiten ebenso wie bei der ÖGB-Forderung nach einem längeren Urlaub oder bei den Begleitmaßnahmen für einen späteren Pensionsantritt – Stichwort: Bonus-Malus-System.

Auch gesünder in Pension

Für die ÖVP-Arbeitnehmer ist das schon vor Jahren entwickelte Modell eines sogenannten Zeitwertkontos ein Ausweg, um diese Blockade jetzt zu durchbrechen. Gleichzeitig soll damit die Chance erhöht werden, dass Beschäftigte in Österreich nicht nur länger arbeiten müssen, sondern dann auch gesund in Pension gehen. Es handelt sich vereinfacht gesprochen um eine Art Arbeitszeit-Sparbuch, mit dem jeder Beschäftigte für spätere Zeiten und auch Sozialansprüche Zeit ansparen kann.

Vor dem Hintergrund des Landtagswahlkampfs in Oberösterreich erhöht der schwarze Vizepräsident in der Arbeiterkammer, Helmut Feilmair, mit voller Rückendeckung des Bundes-ÖAAB den Druck auf Sozialminister Hundstorfer. Dieser soll beim Zeitwertkonto aktiv werden. Vorübergehende berufliche Auszeiten könnten dann auch genützt werden, um sich gesundheitlich auf ein längeres Berufsleben einzustellen. Es ist dies nur einer der Punkte, bei dem die ÖVP Hundstorfer – wie bei weiteren Pensionsänderungen oder Reformen auf dem Arbeitsmarkt – Untätigkeit vorhält.

Wie soll das System mit einem Zeitwertkonto funktionieren?
•Teile des Bruttolohns bis zu einer Höchstgrenze von zehn Prozent können auf Wunsch eines Arbeitnehmers auf einem Zeitwertkonto verbucht und verzinst werden. Dabei ist es egal, ob Teile der Normalarbeitszeit oder Überstunden auf einem solchen Konto gutgeschrieben werden.
•Diese Gutschrift von Arbeitszeiten erfolgt inklusive aller Lohnnebenkosten und auch der Sozialversicherung. Der Vorteil: Arbeitnehmer sind später mit dem Zeitwertkonto weiter angestellt, voll sozialversichert und verlieren keine Ansprüche bei ihrer Pension.
•Bei Bedarf kann die auf diesem Konto angesparte Arbeitszeit für unterschiedliche Möglichkeiten genützt werden: für Umschulungen, für Kindererziehung, zur Pflege von Angehörigen oder auch für einen früheren Pensionsantritt.

Im Regierungspakt verankert

Der Plan für ein derartiges Zeitwertkonto wurde auf Drängen des ÖAAB und von dessen Generalsekretär, August Wöginger, im SPÖ-ÖVP-Regierungsprogramm im Dezember 2013 festgeschrieben. Abgesehen von einer Studie dazu hat sich allerdings wenig getan, was dem Sozialminister angekreidet wird. „Es ist schon ein sehr mühsames Procedere“, klagt Wöginger im Gespräch mit der „Presse“.

In Oberösterreich wurde das Modell hingegen inzwischen im Landesdienst und im Gesundheitsdienst umgesetzt. Das ist einer der Gründe, warum nun der ÖAAB von Linz aus Hundstorfer in Bedrängnis bringen will, bei diesem Vorhaben nunmehr aktiv zu werden.

AUF EINEN BLICK

Zeitwertkonto. Auf Wunsch des ÖVP-Arbeitnehmerbundes (ÖAAB) wurde das Vorhaben im Regierungsabkommen festgeschrieben. Mit dem Zeitwertkonto sollen bis zu zehn Prozent der Arbeitszeit für später angespart werden, inklusive der Sozialversicherung. Die Zeit kann für Auszeiten, Umschulungen oder den früheren Pensionsantritt genützt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2015)

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