Flüchtlinge: Dicke Luft zwischen Wien und Prag

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Nach einer Rüge von Kanzler Faymann für Osteuropas Quoten-Verweigerer kontert Tschechiens Außenminister und macht zugleich Brüssel Vorwürfe: „Die EU hat die Situation am Westbalkan unterschätzt.“

Prag/Wien. Der Schlagabtausch um eine Quote zur Aufteilung der Flüchtlinge gewinnt an Schärfe: Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann hat im Ö1-Morgenjournal die osteuropäischen Staaten gerügt, „Das ist zu kritisieren, denn wir kommen nicht weiter ohne diese Quote“, sagte der Kanzler über die vehemente Ablehnung einer Reihe osteuropäischer Staaten. Namentlich nannte er das Baltikum, Polen und Tschechien, wo sich nun Unmut regt.

Der Außenminister in Prag, Lubomír Zaorálek, antwortete gestern mit einer Spitze gegen seinen sozialdemokratischen Parteifreund in Wien: „Wir glauben, dass der österreichische Kanzler nicht denkt, dass wir jeden aufnehmen können, der kommt“, teilte Zaoráleks Außenministerium der „Presse“ mit.

Kritik setzte es an Brüssel: „Die EU hat die Situation am Westbalkan unterschätzt.“ Erst am Montag reisten fast 2100 Flüchtlinge über Serbien nach Ungarn. Eine Rekordzahl. Trotz Grenzzauns. „Die EU hat zudem nicht die nötigen Schritte unternommen, um den Strom an Wirtschaftsflüchtlingen zu stoppen“, kritisiert der Außenminister.

Prag hat sich zwar freiwillig bereit erklärt, 1500 Flüchtlinge zu übernehmen. Eine verpflichtende Quote komme jedoch nicht in Frage, solange die Konflikte für die Flüchtlingsströme nicht beigelegt seien und die EU-Staaten sich nicht an die Rücknahmegarantien halten – eine Anspielung auf Dublin II, wonach das erste betretene EU-Land für das Asylverfahren zuständig ist. Zudem müssten einzelne Staaten ihren Verpflichtungen zum Schutz der EU-Außengrenze nachkommen, so Zaorálek.

Ähnlich argumentierte auch Tschechiens Innenminister Milan Chovanec: „Statt Pingpong unter Nachbarn zu spielen, sollten wir über eine entschlossene Verteidigung der EU-Grenzen diskutieren.“ Zugleich behauptete er auf Twitter, Flüchtlinge würden wegen der großzügigen Sozialsysteme nach Deutschland und Österreich wollen und nicht etwa wegen der Zustände in den Nachbarländern der Konfliktgebiete. Er dürfte damit die Grundstimmung in Tschechien treffen, wo mehr als 70 Prozent die Aufnahme von Syrern ablehnen.

Merkel macht Druck

Die Gräben in der Debatte, die just entlang des alten Eisernen Vorhangs verlaufen, werden tiefer. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel machte am Dienstag noch einmal Druck: „Drei oder vier von 28 (EU-Ländern) können nicht die ganze Last tragen“, sagte sie in ihrer Forderung nach einer fairen Aufteilung der Flüchtlinge. (strei/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2015)

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