Carinthischer Sommer: Erforschung spannender Klangwelten

(c) APA (Herbert P. Oczeret)
  • Drucken

Thomas Daniel Schlee verabschiedete sich als Intendant mit feinsinnigen Programmen und steht als Komponist im Zentrum des Mondsee-Festivals, bei dem sein neues Quartett erklingt.

Mit einem Konzert der Wiener Symphoniker unter Philippe Jordan ist am Mittwoch der Carinthische Sommer 2015 zu Ende gegangen. Der Abend markierte eine Zäsur in der Geschichte des Festivals. Es war der letzte, den Thomas Daniel Schlee als Intendant zu verantworten hatte. Der Wiener Komponist (Jahrgang 1957) hat die Geschicke des Carinthischen Sommers seit 2004 geleitet und sich dabei als einer der feinsinnigsten Programmmacher des Landes erwiesen.

Dank seiner umfassenden musikalischen Ausbildung – Komposition hat er unter anderem auch bei Olivier Messiaen in Paris studiert – verfügt Schlee über eminente Repertoirekenntnis, deren Früchte die Besucher des Kärntner Festivals ernten konnten. Nirgendwo sonst verschwisterte sich im vergangenen Jahrzehnt so subtil Tradition mit spannenden Hör-Entdeckungen.

Auch eines der letzten Konzerte in Schlees Ära, der Auftritt des jungen niederländischen Dudok-Quartetts in der Ossiacher Stiftskirche, geriet zu einem Erlebnis der besonderen Art, denn die vier Künstler stellten viel gespielte Werke ihres Genres von Haydn und Brahms dem cis-Moll-Quartett Hans Pfitzners gegenüber, einem Meisterstück der heute von den Veranstaltern so sträflich vernachlässigten Spätestromantik, in dem sich der Komponist ganz im Vertrauen auf die einigenden Kräfte der Tonalität formal neues Terrain erobert.

Dem Dudok-Quartett, das schon bei Haydn mit bemerkenswertem Sinn für kontrapunktische Strukturen agiert hatte, gelang eine hinreißende Ehrenrettung Pfitzners: Leidenschaftlich bewegt, mit Gespür für die dunkle Koloristik dieser Musik, aber vor allem ungemein transparent und dabei stets ausdrucksvoll erschlossen sie den gespannt lauschenden Hörern die unbekannten Klanggefilde.

Glücklicherweise war der ORF dabei – die Sendung des Mitschnitts von heute, Freitag, Abend (19.30 Uhr) auf Ö1 sollte nicht versäumen, wer sich für Musik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts jenseits der „atonalen“ Avantgarde interessiert. Es existiert von diesem bedeutenden Werk keine Aufnahme, die auch nur annähernd die Qualität dieser Interpretation erreicht hat.

Novitäten in Schloss Mondsee

Wer den Komponisten Thomas D. Schlee, der sich wie einst Pfitzner durchaus als Einzelgänger in der Zone der Neuen Musik bewegt und um im tiefsten Wortsinn originelle Ideen nie verlegen ist, für sich entdecken möchte, hat ab heute Abend beim Festival Mondsee Gelegenheit. Dort ist Schlee heuer Composer in Residence.

Neben einigen Werken für Soloinstrumente erklingt am 3. September im Rahmen des „Doppelquartettabends“ von Hugo-Wolf-Quartett und Auryn-Quartett die Uraufführung des als Auftragswerk entstandenen Vierten Streichquartetts op. 86. (sin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.