Traiskirchen: Lage entspannt sich langsam

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Bis Donnerstagabend sollen alle Flüchtlinge in festen Unterkünften sein, die Caritas ruft zu einem Sachspendenstopp auf, weil die Lager voll seien. Angeblich wird mit den Spenden im Lager rege gehandelt.

Traiskirchen. Das Aufnahmezentrum Traiskirchen ist zum Symbol für die Überforderung der Politik in der Flüchtlingskrise geworden. Seit Wochen gilt ein Aufnahmestopp, in Spitzenzeiten waren fast 4000 Menschen dort, knapp 2000 davon mussten im Freien schlafen, weil es keine Betten mehr gab – darunter Mütter, Kinder und Neugeborene.

Die mediale Berichterstattung hat eine Welle der Hilfsbereitschaft losgetreten, seit Wochen bringen engagierte Bürger Sachspenden zum Lager – die Caritas hat nun zu einem Sachspendenstopp aufgerufen. „Wir bedanken uns bei allen, aber unsere Lager sind voll“, so Martin Gantner, Pressesprecher der Caritas Wien.

Dazu scheint sich die Lage ganz langsam zu entspannen. Das Innenministerium ließ Mittwochnachmittag die vielen gespendeten Campingzelte abbauen – bis zum Abend sollen alle, die draußen schlafen mussten, in feste Quartiere übersiedelt werden. Der Belagsstand in Traiskirchen betrug Donnerstagvormittag 3400 – davon seien noch 200 Menschen obdachlos gewesen. Viele der Menschen seien nun auf dem Gelände der Sicherheitsakademie in unmittelbarer Nähe in Zelten untergebracht. „Wir freuen uns über eine leichte Entspannung in Traiskirchen, obwohl die Situation generell noch nicht ideal ist“, heißt es aus dem Innenministerium. Das sieht die dort betreuende Diakonie ähnlich. Eine den Flüchtlingen zustehende Rechtsberatung durchzuführen sei noch immer kaum möglich – vor allem jene, die auf dem Areal der Sicherheitsakademie untergebracht sind, hatten bis vor Kurzem dazu gar keinen Zugang. Man leiste vor allem soziale Betreuung, versuche Quartiere für besonders Bedürftige zu organisieren, verteile zumindest die Telefonnummer. Die Mitarbeiter seien rund um die Uhr im Einsatz.

Der neue, von Vizekanzler Mitterlehner Anfang der Woche präsentierte Flüchtlingskoordinater und Ex-Raiffeisen-Generalanwalt, Christian Konrad, besuchte Traiskirchen bereits. Sein Fazit dazu fällt gegenüber der „Zeit im Bild“ wortkarg aus. „Ich will was weiterbringen“, sagte er.

Handel mit Sachspenden

Für Aufsehen sorgte auch ein Bericht im Schweizer „Tagesanzeiger“. Ein Redakteur hatte sich zwei Tage lang in das Lager eingeschlichen und filmte dort das Leben hinter dem Zaun. Sein Eindruck: Es gibt zwar Wachmänner, die sich aber wenig um die Sicherheit kümmern, man könne ganz einfach über den Zaun klettern. Er beschreibt dreckige Klos, Müllberge und einen regen Schwarzmarkt, der mit den Sachspenden betrieben wird, die dort abgegeben werden.

Ein Flüchtling sowie ein Betreuer bestätigen das gegenüber der „Presse“. „Es gibt einige Männer, die warten am Zaun auf Menschen, die Sachen bringen“, erzählt ein junger Mann. „Sie nehmen alles und verteilen es, tauschen es oder nehmen auch Geld, wenn jemand ein bisschen was hat.“ Ein Flüchtling bekommt 40 Euro Taschengeld im Monat. Beliebte Tauschwaren seien Zigaretten und Lebensmittel, erzählt der junge Mann.

Ein Betreuer, der anonym bleiben möchte, beschreibt Ähnliches: „Diese Menschen haben halt nichts und organisieren sich. Es ist ja wie ein kleines Dorf, da wird getauscht und gehandelt, ich denke aber, das ist normal – und ich finde jetzt nichts Schlimmes dabei.“

Die Caritas, die Sachspenden vor dem Aufnahmezentrum verteilt, hat davon nichts mitbekommen. (ath)

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2015)

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