Schlepper: Österreichs Aktion scharf legt Ungarns Verkehr lahm

Kontrolle eines verdächtigen Fahrzeuges
Kontrolle eines verdächtigen FahrzeugesAPA/HERBERT P. OCZERET
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Im Burgenland starteten in der Nacht auf Montag die verstärkten Kontrollen der Polizei. Fünf Schlepper wurden bereits verhaftet, 200 Flüchtlinge aufgegriffen.

Die Aktion Scharf gegen Schlepper im Burgenland zeitigt erste Erfolge: Fünf Schlepper sind bei den Sonntagabend angelaufenen verstärkten Kontrollen im Grenzgebiet festgenommen worden. Insgesamt wurden mehr als 200 Flüchtlinge aufgegriffen, berichtet Konrad Kogler, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Montagvormittag: "Egal wo sie sich befindet, wir wollen den Schleppern das Handwerk legen", sagte Kogler. Die Kontrollen sind eine Konsequenz aus dem Flüchtlingsdrama, bei dem vergangene Woche 71 Menschen in einem Lkw starben, der bei Parndorf in einer Parkbucht abgestellt worden war.

"Dann kommen die Flüchtlinge zu Fuß"

Die verschärften Kontrollen legten in Ungarn Montagfrüh den Verkehr lahm: Die ungarische Nachrichtenagentur MTI berichtete zunächst, dass es beim Grenzübergang Nickelsdorf-Hegyeshalom am Vormittag einen Stau von 30 Kilometern gebe, laut dem Nickelsdorfer Bürgermeister Gerhard Zapfl (SPÖ) reichte der Stau am späten Vormittag bereits 50 Kilomter bis nach Györ.

Der Bürgermeister sah Kontrollen hinter den Grenzen kritisch. "In Wahrheit wird nur der Zeitpunkt des Ankommens der Flüchtlinge verändert. Jetzt werden die Schlepper die Flüchtlinge irgendwo in Ungarn rauslassen und sie werden von dort zu Fuß den Weg nach Österreich suchen", sagte er im Gespräch mit der APA.

54 Beamte im Einsatz

"Beginnend mit der Aktion haben wir 54 Beamte ständig im Einsatz, die diese Kontrollen rund um die Uhr durchführen werden", sagte Polizei-Sprecher Helmut Marban. Der Schwerpunkt der österreichischen Kontrollen liegt dabei beim Grenzübergang zu Ungarn in Nickelsdorf (Bezirk Neusiedl am See). 15 Beamte waren dort, rund 500 Meter vor der Raststation, im Einsatz. "Die Aktion betrifft die internationalen Hauptverkehrsrouten. Beamte sind aber auch an anderen Orten im Einsatz. Darauf möchte ich aus kriminaltaktischen Gründen aber nicht näher eingehen", erklärte Marban.

"Ihr seid in Sicherheit, ihr seid in Österreich"

Nach rund einer Stunde war es zu einem ersten Aufgriff gekommen: Ein Chrysler Voyager mit französischem Kennzeichen wurde gestoppt, mit 13 Flüchtlingen an Bord: neun Erwachsene, drei Kleinkinder, sowie der Fahrer. Die Flüchtlinge wurden mit den Worten "Ihr seid in Sicherheit, Ihr seid in Österreich" auf Englisch begrüßt, der Lenker wurde festgenommen. Eine Frau gab an, aus Aleppo in Syrien zu kommen und nach Deutschland zu wollen.

"Wir wollen signalisieren, dass sich kriminelle Schlepper in Österreich nicht sicher fühlen können", sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) gegenüber dem Ö1-Morgenjournal. Parallal dazu sei sei die Errichtung von Anlaufstellen in Griechenland und Italien vordringlich, "wo sofort zwischen Kriegsflüchtlingen und Auswanderern aus wirtschaftlichen Gründen unterschieden werden muss". Dies sei binnen weniger Wochen umsetzbar.

Bei den Kontrollen im Burgenland werden die aus Ungarn kommenden Fahrzeuge erst von Beamten vorselektiert, die verdächtigen dann angehalten. Inzwischen würden alle Fahrzeuge, vom Pkw bis zum Lkw, als verdächtig eingestuft, sagte Oberstleutnant Andreas Stipsits, stellvertretender Kommandant der Landesverkehrsabteilung, zur APA. "Noch nie gab es im Burgenland einen Fall wie bei der Tragödie mit den toten Flüchtlingen", so Stipsits. Daher wisse man jetzt, dass eben jedes Fahrzeug für eine Schleppung infrage kommen kann.

"Das sind keine Grenzkontrollen"

"Das Ziel ist natürlich, diese Schlepperbanden zu bekämpfen. Was hier passiert, sind verkehrspolizeiliche und sicherheitspolizeiliche Kontrollen. Es werden hier keine Grenzkontrollen durchgeführt", stellte Marban klar; letztere würden auch dem Schengen-Abkommen widersprechen. Die Aktion ist über mehrere Tage geplant, wann sie enden soll, will die Polizei noch offen halten. Mikl-Leitner sprach davon, dass die Kontrollen auf unbestimmte Zeit durchgeführt würden.

Die im Burgenland gestarteten Kontrollen - sie sind mit den Behörden in Ungarn, der Slowakei sowie Bayern akkordiert - sollten im Verlauf der Nacht auf die anderen Bundesländer der Ostregion ausgeweitet werden, sagte Innenministeriums-Sprecher Alexander Marakovits zur APA. Das Burgenland soll am Montag weitere Unterstützung erhalten: "Wir werden bereits heute von 20 Kollegen aus Wien verstärkt und ich gehe einmal davon aus, dass Anfang nächster Woche die kolportieren Kollegen und Kolleginnen aus den Bundesländern Steiermark und Kärnten zu uns stoßen werden", erläuterte Marban.

Nickelsdorfer Bürgermeister bittet um Sachspenden

In einem Schreiben wandte sich Nickelsdorfs Bürgermeister Zapfl an die Bürger seiner Gemeinde und bat um Sachspenden wie Seifen, Duschgel, Zahnbürsten und -pasta sowie saubere intakte Herrenbekleidung. Die Gemeinde stelle als Sammelstelle die Räumlichkeiten des zweiten Bauhofes (Urbarialgasse) zur Verfügung, wo Spenden von Montag bis Freitag von 10.00 bis 12.00 und von 14.00 bis 16.00 Uhr abgegeben werden können. "Die Sachspenden werden von Freiwilligen vorsortiert, zum Beispiel in Größen eingeteilt und dann von Helfern des Roten Kreuzes von dort nach Bedarf abgeholt und verteilt", erzählte Zapfl gegenüber der APA.

"Ich sehe es als unsere Pflicht, die Leute erstzuversorgen und ihnen zu helfen", sagte er. Denn "es ist angenehmer, helfen zu können, als selbst Hilfe annehmen zu müssen". In Nickelsdorf habe man 25 Flüchtlinge seit Juli in einer Pension untergebracht. Zwar habe es am Anfang Kritiker gegeben, aber diese verstummen mehr und mehr, meinte Zapfl. Auch "Gegner" bringen Sachspenden. "Dieses Thema ist da. Ich sehe es als meine Hauptaufgabe, für gesellschaftlichen Frieden in meiner Gemeinde zu sorgen und die Gegensätze am Boden zu halten."

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(APA/Red.)

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