Mentalitätsbashing oder: Die Beamten im Kopf

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Wirtschaftsstandort Österreich sei ein Zustand, sagen Unternehmer: Mit der Schuldfrage tun sie sich schwer.

Genau können es auch die österreichischen Topunternehmer nicht sagen. „Ich weiß nicht, ob es fünf vor zwölf, zwölf oder fünf nach zwölf ist“, gab Norbert Zimmermann, Kernaktionär beim Ölfeldausstatter Schoeller-Bleckmann (SBO) und der Berndorf AG, gestern zu: „Aber bei mir persönlich war die Stimmung noch nie so weit unten.“ Das hat wohlgemerkt nicht mit dem Ölpreis zu tun, der auch im Keller ist und die Auftragslage bei SBO halbiert hat. Das hat mit dem Wirtschaftsstandort zu tun, der „nur noch ein Zustand“ ist, wie eine Runde von Topunternehmern und Managern bei einem Pressegespräch des Fachblattes „Der Börsianer“ gestern einhellig festhielt.

Damit er besser wahrgenommen wird, äußerten sie ihren Unmut gemeinsam: Bürokratiewucher, starres Arbeitszeitgesetz, Lohnnebenkosten, Brain-Drain, Leistungsfeindlichkeit, Risikoaversion, wenig Eigenverantwortung − eh schon wissen: Und jetzt noch Gewissheit um die himmelschreienden Defizite beim Wirtschaftswissen.

Aber wer ist eigentlich schuld? Das System? Die österreichische Realverfassung? Die lähmende Sozialpartnerschaft? Die Politik? „Nein, wir wollen hier kein Politikbashing“, winkte Zimmermann ab. Das erstaunte dann doch. Aber auch Karl Sevelda, Chef von Raiffeisen International, hielt sich nobel zurück und schlug die Bitte, Namen von Verhinderern zu nennen, aus: „Das können Sie den Medien entnehmen.“ Ja, als Ganzes betrachtet müsste die Regierung viel mehr machen, meinte er: Aber die große Koalition stecke eben enge Rahmen.

Tja, so ist das mit der normativen Kraft des Faktischen. Weil dem Auf- und Ausbruch aus dem Stillstand enge Grenzen gesetzt sind, während in Deutschland „die Stimmung für Unternehmertum und Investitionen zehn Mal besser ist“, wie Karl-Heinz Strauss, Chef der Porr AG, weiß, muss der Grund für die Misere also woanders gesucht werden. Am Ende fand Sevelda ihn: Und zwar in der Mentalität. „In den letzten 100 Jahren hat sich nicht wirklich etwas geändert“, sagte er: Schon in der Monarchie habe Österreich in erster Linie Beamte gestellt.

Blöd gelaufen: Denn im Unterschied zur Regierung lässt sich die Mentalität noch schwerer abwählen. Das weiß Porr-Chef Strauss nur zu genau und erinnert an den Kraftakt, der eigentlich bevorsteht: „Das Wesentliche beginnt im Kopf.“

Allein: Bis ein ganzes Land das Mindset geändert hat und zu einem „alemannischen Spirit“ kommt, den Sevelda eigenen Worten zufolge von seiner Schweizer Frau kennt und wenigstens in Vorarlberg antrifft, kann es dauern. „Solange das Diktat der leeren Kassen nicht da ist, wird sich nichts ändern“, ist Stefan Pierer, Chef von Cross Industries, überzeugt. Bis dahin wird es bei einem „Bedürfnis nach Wertschätzung von Leistung“ (Zimmermann) bleiben.

Immerhin resignieren nicht alle, obwohl es „ans Eingemachte geht“ und Unternehmer daher künftig „lauter werden“, wie Stefan Pierer ankündigt. „Wir sind die Letzten, die von Bord gehen.“

E-Mails an: eduard.steiner@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2015)

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