Pernkopf: „Regierung macht erbärmlichen Job“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Stephan Pernkopf, Präsident des Ökosozialen Forums, verlangt von Kanzler Faymann mehr Engagement in Europa und von Vizekanzler Mitterlehner mehr Einsatz für die Betriebe.

Wien. Nicht nur in den Ländern, sondern auch in regierungsnahen Organisationen gibt es dieser Tage Unmut über die Bundesregierung. Er halte deren Arbeit „für erbärmlich und derzeit nur schwer zu ertragen“, sagt etwa Stephan Pernkopf, der Präsident des Ökosozialen Forums, eines Thinktanks mit Nähe zur ÖVP bzw. zum Bauernbund, im Gespräch mit der „Presse“. Seinen Befund macht Pernkopf, der auch Umweltlandesrat in Niederösterreich ist, an drei Bereichen fest.

Erstens: die Asylpolitik. Die Ursache für das „Chaos bei der Flüchtlingsverteilung“ sei – in Europa wie in Österreich – „ein reines Führungsversagen“. Der Einsatz von Bundeskanzler Werner Faymann, der säumigen EU-Staaten neuerdings Förderungen streichen will, komme ziemlich spät. Zu spät, findet Pernkopf. Schon vor Wochen hätte Faymann Druck für eine EU-weite Quotenlösung aufbauen müssen. Zum Beispiel, indem er Österreichs Zustimmung zum Griechenland-Paket damit verknüpft.

Manchmal, so der Landesrat, seien Junktims in der Politik notwendig. Denn es könne nicht sein, dass Österreich in internationalen Medien als fremdenfeindlich dargestellt werde, obwohl es zu jenen zehn EU-Ländern gehöre, die 92Prozent aller Asylanträge abwickelten. Während die anderen 18, darunter Tschechien und die Slowakei, sich weigerten, Asylwerber aufzunehmen.

Ein Problem sei auch, dass der österreichische Kanzler kein Standing mehr in Europa habe. „In Zeiten eines Wolfgang Schüssel oder Franz Vranitzky war das noch anders.“ Beide seien die Stimme der kleinen Mitgliedstaaten gewesen.

Nicht nur Faymann, auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner wäre gut beraten, „in Asylfragen mehr auf den Außenminister zu hören“, sagt der 43-Jährige. Sebastian Kurz hat sich unlängst für „wesentlich intensivere Grenzkontrollen“ ausgesprochen, wenn Staaten an der EU-Außengrenze Flüchtlinge weiterhin ins Binnenland – nach Deutschland, nach Österreich – durchwinken. Doch Mitterlehner lehnt das als „rechtlich problematisch“ ab.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, die wie Pernkopf aus Niederösterreich stammt, will er dagegen keinen Vorwurf machen. Sie tue ihr Bestes. Leider habe die Regierungsspitze den Asylbereich jahrelang vernachlässigt und alle Probleme verdrängt. Beim neuen Flüchtlingskoordinator, Christian Konrad, könne man sich „also nur bedanken, dass er hilft“.

Zweitens: die Wirtschaftspolitik. Betriebe würden vernachlässigt und teilweise sogar schikaniert – von der Regierung und ihrem Beamtenstab. Etliche kleine Unternehmer seien zuletzt mit Beschwerden über fragwürdige und geschäftsschädigende Behördenmethoden an ihn herangetreten, berichtet Pernkopf: ein Landgasthaus, das ausgerechnet in der Mittagszeit von der Finanzpolizei kontrolliert werde, eine kleine Gärtnerei, in der „überfallsartig“ drei Beamte auftauchen. Und so weiter.

In Zeiten des Kärntner Hypo-Skandals gingen die Behörden offenbar dazu über, „mit Kanonen auf Spatzen zu schießen“. Da seien nun Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Finanzminister Hans Jörg Schelling gefordert, ihren Pflichten nachzukommen. Also einzugreifen. Denn viele Betriebe hätten den Glauben in die Politik und auch in die ÖVP verloren. Vor allem im Gastgewerbe sei der Ärger groß. Mit der Allergenverordnung, der Registrierkassenpflicht und Steuererhöhungen werde den Unternehmern zu viel auf einmal zugemutet.

Drittens: die Sozialpolitik. Auch im Pensionsbereich vermisst Pernkopf konkrete Handlungen der Regierung. Alle wüssten, dass es zu viele Frühpensionisten gebe. Aber niemand greife ein. Erst in der Vorwoche wurde bekannt, dass 72,9Prozent der Pflichtschullehrer zwischen 2008 und 2013 mit durchschnittlich 59,6 Jahren in den Ruhestand gegangen sind. Ohne Abschläge. Dank Hacklerregelung nämlich, die für Lehrer eigentlich nicht gedacht war.

Durch die Demografie sei dieses Pensionssystem unleistbar geworden, sagt Pernkopf. Immerhin gebe es auch eine gute Nachricht: Bis zur nächsten Nationalratswahl hätte die Regierung noch drei Jahre Zeit, um etwas zu unternehmen – in allen drei Bereichen. „Wenn nicht, dann sehe ich schwarz.“

ZUR PERSON

Stephan Pernkopf (43) ist seit 2009 Landesrat für Umwelt, Energie, Agrar und Katastrophenschutz in Niederösterreich und seit 2012 Präsident des Ökosozialen Forums, eines Thinktanks mit Nähe zum Bauernbund der ÖVP. Von 2005 bis 2009 war der Jurist Kabinettschef von Josef Pröll, den er vom Landwirtschaftsministerium ins Finanzministerium begleitete, ehe ihn Erwin Pröll nach Niederösterreich holte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2015)

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