Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz ist sich sicher, dass die Integration der Flüchtlinge gelingt. Gleichzeitig müsse der Andrang reduziert werden.
Die Presse: Eine Frage an den Integrationsminister – wie will man 50.000 Menschen integrieren? Das ist logistisch kaum zu schaffen.
Sebastian Kurz: Wir haben bisher 9000 positive Anträge, wir rechnen 2015 mit insgesamt 30.000. Es gibt die Notwendigkeit, dass sich die Flüchtlingsströme in dieser Dimension reduzieren. Die Größe kann sich nicht einfach immer weiter wiederholen. Gleichzeitig geht es darum, die Flüchtlinge, die bei uns sind, bestmöglich zu integrieren. Das ist nicht nur in deren Interesse, sondern in unser aller. Die derzeit zu beobachtende Polarisierung bringen dem Land und uns allen nichts.
Sie glauben, dass eine solche Massenintegration gelingt? Bisher gab es Schwierigkeiten, genug Unterkünfte für die Erstversorgung zu finden. Das stimmt nicht sehr optimistisch.
Das ist eine Herausforderung, das wird viel Arbeit. Aber wir können das schaffen. Nächsten Freitag wird es eine Regierungsklausur zum Thema Integration geben, bei der wir auch konkrete Maßnahmen präsentieren werden. Es wird einen Integrationsfahrplan für diese Menschen geben, beginnend beim Spracherwerb über den Einstieg in den Arbeitsmarkt bis hin zu Werteschulungen, um den Menschen unsere Kultur, unsere Art und Weise des Zusammenlebens, unsere Grundwerte näherzubringen.
Regierungsklausur? Bisher war die Effizienz der Regierung beim Thema Flüchtlinge überschaubar.
Ich habe gerade gesagt, es wird eine große Herausforderung und viel Arbeit. Aber: Wir hatten im vergangenen Jahr eine Zuwanderung von rund 150.000 Menschen. Darunter waren zwar „nur“ 30.000 Flüchtlinge, aber auch diese gesamte Zuwanderung hat das Land positiv gemeistert und auch davon profitiert. Wir haben nun 17.000 neue Sprachkursplätze für die anerkannten Flüchtlinge geschaffen, wird haben das Geld für die Sprachförderung verdreifacht. Darüber hinaus laufen Initiativen, die die Anerkennung von Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt betreffen. Das AMS ist auf einem guten Weg mit dem Angebot von Qualifikations-Checks, und gleichzeitig arbeiten wir auf Hochtouren an der Umsetzung eines neuen Gesetzes, das die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen erleichtert.
Gibt es schon Einschätzungen zu den Qualifikationen?
Das syrische Bildungssystem ist ein gutes. Aber auch die besser qualifizierten Syrer sind nicht lateinisch alphabetisiert. Das gilt auch für die Kinder und Jugendlichen, die in unser Bildungssystem einsteigen. Insofern ist die Alphabetisierung, der Deutschkurs am Anfang, ganz zentral, um die Menschen, insbesondere qualifizierte, möglichst schnell fit für den Arbeitsmarkt zu machen.
Es wird vielleicht schwieriger, für vom Krieg traumatisierte Afghanen Arbeitsplätze zu bekommen.
Die drei größten Gruppen, die einen positiven Asylbescheid in Österreich bekommen werden, sind Syrer, Afghanen und Iraker. Das Bildungslevel ist generell sehr unterschiedlich, und daher ist es auch notwendig, alle auf jedem unterschiedlichen Level abzuholen. Die Qualifikations-Checks durch das AMS werden Klärung bringen.
Neben Bildung und Arbeit brauchen die Menschen Wohnraum. Davon gibt es in Städten wie Wien jetzt schon zu wenig.
Bürgermeister Michael Häupl sagt, es gebe genug Wohnraum und es werde zusätzlich welcher geschaffen. Anerkannte Flüchtlinge haben den gleichen Zugang zum privaten Wohnungsmarkt wie alle. Auch die Beratungsangebote in den Bundesländern stehen diesen Menschen offen. Um sich Wohnraum leisten zu können, muss die Integration auf dem Arbeitsmarkt gelingen. Und davor kommt die Sprache. Das ist jetzt das Wichtigste.
Wie hat man sich kulturelle Einführung ins Österreichertum vorzustellen?
Wir haben eine große „Rot-Weiß-Rot-Fibel“ produzieren lassen, die die Grundwerte in Österreich erklärt – vom Rechtsstaat und unserem demokratischen System angefangen über die Gleichstellung von Mann und Frau bis hin zu Toleranz. Wir müssen uns bewusst sein, dass viele dieser Menschen aus einer Region kommen, in der es eine ganz andere kulturelle Prägung gibt als bei uns. Wir müssen unsere Grundwerte von Anfang an vermitteln.
ZUR PERSON
Sebastian Kurz ist seit Dezember 2013 Minister für Europa, Integration und Äußeres. Bereits zuvor war er als Staatssekretär mit dem Thema Integration betraut. Der seit Kurzem 29-Jährige startete seine politische Karriere 2003, als er Mitglied der Jungen ÖVP (JVP) Wien wurde. 2007 wurde Kurz Chef der Wiener, 2009 Obmann der Bundes-JVP. Im April 2011 wurde Kurz im Alter von nur 24 Jahren als Staatssekretär angelobt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2015)