Flüchtlinge: Kardinal Schönborn macht Druck auf Pfarrer

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Kardinal Schönborn fordert in einem Brief, dass sich ausnahmslos alle Pfarren für Asylwerber engagieren müssen. Die Vorgaben des Papstes bei der Unterbringung sind jedoch kaum erreichbar.

Wien. Papst Franziskus' Worte zeigen Wirkung. Jetzt erhöhen in Österreich jedenfalls die Bischöfe den Druck auf ihre Pfarren, die Anstrengungen bei der Quartiersuche für Flüchtlinge zu verstärken. Für die weit nach Niederösterreich reichende Erzdiözese Wien lässt Kardinal Christoph Schönborn in wenigen Tagen einen Brief an all seine Pfarrer, Caritas-Referenten und Pfarrgemeinderäte, insgesamt ungefähr 10.000 Personen, verschicken. Inhalt: Jede einzelne Pfarre wird aufgerufen, sich für Flüchtlinge zu engagieren.

Der Erzbischof folgt auch selbst dem Beispiel des Papstes. Schönborn will für die Unterbringung von zwei Flüchtlingsfamilien Amtsräumlichkeiten direkt am Stephansplatz öffnen. Welche das genau sein werden, wird noch geprüft. Franziskus hat erst am Sonntag dazu aufgerufen, jede Pfarre in Europa solle eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen. Gleichzeitig wurde bekannt, dass für zwei Familien Wohnungen des Vatikans frei gemacht werden sollen. In jede österreichische Pfarre also eine Flüchtlingsfamilie? Nun, diese römische Vorgabe wird wohl auch mittelfristig nicht so bald erfüllt werden können. Landesweit existieren kirchenrechtlich (noch) 3000Pfarren, zu einem bedeutenden Teil bereits ohne Priester im Ort, mit weniger als 1000 Katholiken und in Pfarrverbänden oder Seelsorgeräumen fusioniert. Bei voller Erfüllung des Papstwunsches müssten unter Annahme vierköpfiger Familien grob gerechnet dennoch 12.000Flüchtlinge in Pfarren aufgenommen werden. Demgegenüber sind derzeit ungefähr 2000 Personen in Pfarren und auch in Klöstern – ohne Berücksichtigung der Caritas – untergebracht. Wie viele in Pfarren ein Bett erhalten haben, war am Dienstag nicht zu eruieren.

„Steilvorlagen des Papstes“

„Die Steilvorlagen des Papstes sind nie erreichbar“, sagt Rainald Tippow, der Flüchtlingskoordinator Christoph Schönborns, am Dienstag zur „Presse“. Er begrüßt dennoch den Vorstoß von Franziskus als „sehr, sehr gut und belebend“. Europa müsse als reicher Kontinent an seine humanitäre Verantwortung erinnert werden.

Außerdem erhofft er sich nun mehr Angebote aus den Pfarren. Wenngleich er Erwartungen dämpft. Laut aktuellen Erhebungen seien 85 Prozent kirchlicher Immobilien in der Erzdiözese als Quartiere ungeeignet. Weil Gebäude für Wohnzwecke nicht verwendbar seien, keine Fenster oder WC hätten und erst teuer und langwierig saniert werden müssten. Daher seien manche Pfarren schon dazu übergegangen, frei stehende profane Räumlichkeiten für Flüchtlinge zu mieten.

Darüber hinaus will Schönborn aber nun alle Pfarren verpflichten, wenn schon nicht als Quartiergeber, so doch wenigstens in der Hilfe beispielsweise bei Deutschkursen, Freizeitangeboten oder Spenden aktiv zu werden. Auch der St. Pöltner Bischof, Klaus Küng, hat am Dienstag seine Pfarren zu weiterer Hilfe aufgerufen.

Dabei ist das Engagement insgesamt schon jetzt groß, ungefähr jeder dritte Flüchtling wird kirchlich betreut. Allein die offizielle Hilfsorganisation der katholischen Kirche, die Caritas, hat 5000 Flüchtlingen in eigenen Häusern Quartier gegeben und betreut zusätzlich 12.000Asylwerber mobil, das heißt mit Verpflegung, Kursen, Beratung etc. in anderen Unterkünften, die beispielsweise ein Bundesland zur Verfügung stellt. Tendenz steigend. Caritas-Chef Michael Landau ortete am Dienstag „Solidarität und Hilfsbereitschaft, egal, wohin man schaut“.

Weitere Infos:www.diepresse.com/fluechtlinge

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2015)

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