Die blockierte Republik – mit Ausnahme Asyl

LANDESHAUPTLEUTEKONFERENZ IN WIEN: KAISER/PLATTER/P�HRINGER/H�UPL/HASLAUER/PR�LL/WALLNER
LANDESHAUPTLEUTEKONFERENZ IN WIEN: KAISER/PLATTER/P�HRINGER/H�UPL/HASLAUER/PR�LL/WALLNER(c) HANS KLAUS TECHT / APA / picture (HANS KLAUS TECHT)
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Ob Gesundheit, Schule oder Geld: Vor den Wahlen in Oberösterreich und Wien hat der Wahlkampf Vorrang.

Wien/Linz. Es wird eine Machtdemonstration der besonderen Art: Am 23.September werden die Landeshauptleute, angeführt von ihrem derzeitigen turnusmäßigen Vorsitzenden, Oberösterreichs Josef Pühringer, im Palais Niederösterreich in der Wiener Innenstadt die 70-Jahr-Feier der Länder begehen. Es ist einer der wenigen, wenn nicht der einzige Termin vor den Wahlen in Oberösterreich am 27.September und in Wien am 11.Oktober, bei dem die Landesspitzenpolitiker zusammenkommen. Ansonsten steht das Scharnier zwischen der Bundesregierung und den Bundesländern derzeit weitgehend still.


•Keine Neuerungen. Die unmittelbare Folge ist, dass die Maschinerie für die Vorbereitung tief greifender Neuerungen bis Mitte Oktober oder sogar darüber eingerostet ist. Einzige Ausnahme sind die nach der Sommerpause deutlich verstärkten Anstrengungen zur Bewältigung des Flüchtlingsansturms. Das gilt nicht nur wegen der Krisenklausur morgen, Freitag, ab Mittag im Bundeskanzleramt, die ganz allein dem Thema Flüchtlinge gewidmet ist.


•Wahlkampf, Asyl-Krisenmanagement: Die Lähmung der politischen Arbeit hat zwei Hauptgründe. In der Bundesregierung bemühen sich Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner seit der Einsetzung von Ex-Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad Ende August als Flüchtlingskoordinator, das Zepter in der Asylfrage in die Hand zu nehmen. Zuvor hatte die Regierungsspitze Innenministerin Johanna Mikl-Leitner wochenlang weitgehend allein werken lassen. Die Kräfte sind damit großteils auf die Lösung der Flüchtlingsprobleme fokussiert. Am Montag hat Pühringer in Linz aus diesem Grund Besuch erhalten. Konrad ist bei der Suche nach zusätzlichen Asylquartieren zur Aussprache mit dem Chef der Landeshauptleutekonferenz angereist. In den zwei Ländern, in denen im Frühherbst gewählt wird, sind die Spitzen bis hinauf zu Pühringer und Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) derzeit sonst voll im Wahlkampfeinsatz mit xAuftritten und Terminen. Für Weichenstellungen mit der Bundespolitik ist da keine Zeit.

•Schonung des Koalitionspartners: In der rot-schwarzen Regierung gibt es vor den Wahlen eine Art Nichtangriffspakt. Streitigkeiten im Bund sollen nicht zum zusätzlichen Ballast für Pühringer und Häupl werden. Schwarz und Rot droht in Oberösterreich ohnehin eine blaue Abreibung, in Wien muss die SPÖ mit einer Ohrfeige durch viele freiheitliche Wähler rechnen. Damit bleiben strittige Themen wie Änderungen bei der Arbeitszeit – egal ob es um flexiblere, längere Tagesarbeitszeitmöglichkeiten oder sechste Urlaubswoche geht – tabu. Schon gar nicht sollen die immerhin rund 2,5 Millionen Wahlberechtigten in den beiden Bundesländern durch unangenehme Reformen vor den Kopf gestoßen werden. Einzige Ausnahme: das rot-schwarze Scharmützel um die allerdings weite Kreise der Bevölkerung wenig interessierende Neuregelung, ob abtrünnige Abgeordnete weiter sofort den Klub wechseln dürfen.


•Verhandlungen hinter den Kulissen: Vorderhand beschränkt sich das tägliche Handwerk neben dem Krisenmanagement im Asylbereich darauf, auf Beamten- und Expertenebene Lösungen vorzubereiten. Die Entscheidungen bleiben den Spitzen in den Ministerien und in den Ländern vorbehalten. Das gilt für die Schulreformkommission ebenso wie für Änderungen im Gesundheitswesen (Stichwort: Primärversorgungszentren) und für die Neuverteilung des Steuerkuchens, auf Amtsdeutsch Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Selbst die schwierige Erstellung des Budgets 2016, sonst Garant für Konflikte zwischen den Koalitionsparteien, findet heuer bewusst unter der Tuchent statt.

TERMINPLAN

Herbsttermine. Morgen, Freitag, geht die SPÖ-ÖVP-Bundesregierung einen guten halben Tag im Bundeskanzleramt in Klausur, um Lösungen für die Flüchtlingsfragen zu finden. Dabei werden einzelne Bereiche beraten: von der Beschleunigung der Asylverfahren bis zu den Auswirkungen für den Schulunterricht und das Sozialwesen. Am 27.September finden in Oberösterreich Landtags-, Gemeinderats- und Bürgermeisterdirektwahlen statt. Am 11.Oktober folgt in Wien die Gemeinderatswahl. Für 14.Oktober ist die erste Budgetrede von Finanzminister Hans Jörg Schelling im Nationalrat angesetzt. Am 17.November wird die Bund-Länder-Gruppe Schulreformpläne vorlegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2015)

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